Insel aus Stein: Mittsommerglück (German Edition)
heute eingetroffen. Ist das nicht eine nette Überraschung?”
“Ja, einfach wunderbar”, entgegnete er sarkastisch. “Ich bin vor Begeisterung völlig aus dem Häuschen.”
Er wollte gerade zu einer weiteren bissigen Bemerkung ansetzen, als
sie
hinter Malin die kleine Diele betrat. Dale schätzte die Engländerin auf Mitte bis Ende zwanzig – viel jünger also, als er angenommen hatte. Sie war klein, beinahe zierlich, und ihr herzförmiges Gesicht wurde von einer Flut nachtschwarzer Locken umspielt, die im Licht der untergehenden Sonne, das durch das Butzenfenster in ihren Rücken fiel, rötlich schimmerten.
Wie die schöne Fee aus einem Märchen von Hans Christian Andersen, dachte Dale versonnen. Es gelang ihm kaum, den Blick von ihren verträumt und zugleich scharfsinnig wirkenden, moosgrünen Augen abzuwenden, die von langen, dichten Wimpern beschattet wurden.
Jetzt trat sie an Malin vorbei und streckte ihm die Hand entgegen. “Mr. Prescott? Mein Name ist Cassie Dorkins, es freut mich sehr, Sie kennenzulernen. Ich hoffe doch, dass meine verfrühte Ankunft Ihnen keine großen Umstände bereitet.”
Ihre Worte holten Dale mit einem Mal wieder auf den Boden der Tatsachen zurück. Was machst du hier eigentlich, fragte er sich selbst. Diese Frau ist die Lektorin, die dir der Verlag geschickt hat, um dir hinterherzuschnüffeln – sie ist
die Spionin!
–, und du stehst da und starrst sie an, als sei sie das achte Weltwunder. Reiß dich zusammen, Dale Prescott!
“Wenn es nach mir ginge, wären Sie überhaupt nicht hier”, erwiderte er und ignorierte einfach die Hand, die sie ihm angeboten hatte. “Da kommt es wohl auf ein paar Tage mehr oder weniger auch nicht an. Hauptsache, Sie erledigen so rasch wie möglich, was immer Sie hier auch zu erledigen hoffen, und verschwinden dann schnellstens wieder in Ihre stinkende Millionenmetropole.”
2. KAPITEL
H auptsache, Sie erledigen so rasch wie möglich, was immer Sie hier auch zu erledigen hoffen, und verschwinden dann schnellstens wieder in Ihre stinkende Millionenmetropole
…
Was bildete sich dieser Kerl eigentlich ein? Ärgerlich schüttelte Cassie den Kopf und ließ sich auf das Bett in dem gemütlich eingerichteten Gästezimmer sinken. Er wollte sie also so schnell wie möglich loswerden? Nun, diesen Wunsch würde sie ihm mit dem größten Vergnügen erfüllen!
Sie beabsichtigte, nicht eine Sekunde länger auf Svergå zu bleiben, als unbedingt nötig. Und sofern Prescott sich kooperativ zeigte, würde sie im Handumdrehen wieder verschwunden sein. Nichts lieber als das! Sie konnte es kaum abwarten, endlich wieder nach London zurückzukehren. Nicht, dass dort viel auf sie wartete. Abgesehen von ihrer Freundin Laura gab es eigentlich niemanden, den sie vermisste. Doch sie liebte ihr kleines Apartment in Bloomsbury heiß und innig, und zudem konnte sie einfach keinen Vorteil darin sehen, erst mit einem Motorboot bis ans Festland fahren zu müssen, wenn man einmal spontan etwas unternehmen wollte. Selbst wenn die Umgebung noch so schön war.
Prescotts unverschämtes Verhalten würde sie sich jedenfalls nicht gefallen lassen. Wenn er glaubte, sie behandeln zu können wie eine unerfahrene Praktikantin, hatte er sich getäuscht.
Überhaupt war der viel gerühmte Dale Prescott, alias Cara Stern, eine ziemliche Überraschung für Cassie. Das war er also? Der Mann, der die Herzen von unzähligen Frauen höher schlagen ließ, indem er ihre geheimsten Wünsche und Fantasien zu Papier brachte, und dessen Romane sich besser verkauften als alle anderen seines Genres? Natürlich hatte sie sich vor ihrer Abreise sein Verlagsdossier angesehen, in dem sich auch eine Fotografie des Autos befunden hatte. Doch zwischen Bild und Realität klafften Welten.
Im Grunde genommen konnte man Dale Prescott nicht unbedingt als unattraktiv bezeichnen. Zumindest nicht, wenn einem der eher machohafte, ungehobelte Typ von Mann gefiel. Mit seinen verschlissenen Jeans und dem Flanellhemd hätte er fast besser auf eine texanische Rinderfarm gepasst als in die Idylle einer schwedischen Schäreninsel. Sein dunkelblondes Haar verlangte eindeutig nach einem anständigen Schnitt, was ihn überraschenderweise jedoch keineswegs ungepflegt, sondern in Kombination mit einem stoppeligen Dreitagebart irgendwie verwegen aussehen ließ. Sein Gesicht war so kantig wie ausdrucksstark, doch am beeindruckendsten waren seine Augen, golden wie die einer Raubkatze, von dichten Wimpern beschattet.
Keine
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