Insel, aus Traeumen geboren
grundsätzlich nichts. Andererseits war es für ihre Zukunft wichtig, einige Dinge zu klären.
„Warum glaubst du, dass dieses Grab das von Alexander des Großen sein könnte?“
„Von Alexander wahrscheinlich nicht. Aber vielleicht von einer anderen berühmten Persönlichkeit. Außer mir ist ja alle Welt davon überzeugt, dass es in Memphis in Ägypten ist.“
„Du glaubst aber nach wie vor, dass er in Alexandria begraben ist?“
„Wenn das stimmt, muss sein Leichnam von Babylon dorthin geschmuggelt worden sein, denn da ist er nachweislich gestorben“, sagte Jack nachdenklich. „Dort sollte er auch begraben sein. Er hat die Stadt gegründet und sie zum Zentrum des Wissens gemacht. Auch die größte Bibliothek der Antike befand sich dort.“
„Vielleicht ist es nur Wunschdenken von dir, dass er dort bestattet worden ist“, meinte Olivia. „Weil es deiner Meinung nach richtig gewesen wäre.“
„Denkst du wirklich, ich würde meine Urteilsfähigkeit von irgendwelchem Wunschdenken beeinflussen lassen?“
„Oft ist das, was man gern glauben möchte, genau das, was tatsächlich geschehen ist. Du hast einen guten Riecher und hast schon oft mit deiner Vermutung richtiggelegen.“
„Soll das ein Kompliment sein?“, fragte er etwas spöttisch.
„Du brauchst doch meine Anerkennung gar nicht, Jack, wo du in den Augen deiner Studenten schon Mr. Superman bist. Du hättest sie gestern Abend hören sollen. Sie haben sich nicht einmal Sorgen darum gemacht, dass du es nicht an Land schaffen könntest.“
„Hast du dir welche gemacht?“
„Nicht nur das, ich war auch schrecklich wütend auf dich und musste immerzu daran denken, wie du damals nicht davon abzuhalten warst, die Felswand in der Olduvai-Schlucht hinaufzuklettern, um dieses Fossil zu bergen. Du bist dabei fast vier Meter abgestürzt und warst bewusstlos.“
„Ja, für ein paar Minuten. Aber der Fund ist heil geblieben, und mein Kopf hat es auch überstanden.“
„Darüber könnte man streiten. Gleich am nächsten Tag hast du dich in diese Höhle hinuntergelassen und bist in einem Kamin stecken geblieben. Und warum? Nur weil du dir eingebildet hast, dass dort Felsmalereien zu finden seien.“
„Da waren auch welche.“
„Eben nicht.“
„Okay, vielleicht keine Malereien. Eher Zeichnungen.“
„Es waren nur Kratzer im Gestein“, korrigierte Olivia ihn.
„Wenn man kein Risiko eingeht, wird man niemals finden, wonach man sucht.“
„Oder das Rentenalter nicht erreichen“, konterte sie.
„Was vielleicht gar nicht so erstrebenswert ist. Außer für Leute wie deine Tante Alyce natürlich. Wahrscheinlich wirst du einmal wie sie sein, wenn du neunundachtzig bist.“
„Das bezweifle ich. Sie ist jedoch der Typ Frau, den du hättest heiraten sollen. Eine verrückte, abenteuerlustige Frau, die die Nächte durchtanzt.“
„Nein, ganz bestimmt nicht“, sagte er, plötzlich ernst geworden.
Eine innere Stimme warnte Olivia, die Unterhaltung zu persönlich werden zu lassen. „Egal, jedenfalls halten deine Studenten dich für großartig.“
„Wohl kaum für so großartig, wie Alexander es war.“
„Niemand war so großartig wie er. Deshalb ist sein Reich auch untergegangen, als er gestorben ist.“
„Und seine Frau musste mit ihrem Sohn, den er nie kennengelernt hat, fliehen“, sagte Jack nachdenklich.
Olivia betrachtete seine Hände, die auf dem Lenkrad ruhten. Er hatte schlanke, kräftige und sehr geschickte Finger. Gleichgültig, ob sie jahrhundertealten Schmutz von einer Statue kratzten oder zärtlich eine Träne von ihrer Wange wischten.
„Natürlich würde ich ihr Grab gern eines Tages finden“, sagte sie. „Das hofft jeder Archäologe.“
„Deshalb bist du ja auch hier.“ Er schenkte ihr ein flüchtiges Lächeln. „Auf den Spuren von Roxane.“
„Sie ist eine der interessantesten Persönlichkeiten dieser Ära. Doch so viel Glück werde ich bestimmt nicht haben. Ich bin schon zufrieden, wenn wir wenigstens das Grab entdecken und ein paar Münzen oder eine Schale finden.“
„Ich habe übrigens deinen Artikel über Alexanders Frau gelesen“, bemerkte Jack.
„Und? Was hast du davon gehalten?“
„Ich fand ihn fesselnd.“
„Im Ernst?“ Olivia war überrascht. Jack war nicht der Typ, der mit Komplimenten um sich warf. „Das ist das Netteste, was du seit unserer Ankunft zu mir gesagt hast.“
„Erzähl mir doch nicht, dass du nicht alle möglichen Komplimente bekommst. Ich weiß, dass du von deinen
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