Insel, aus Traeumen geboren
„Hast du bei einer Ausgrabung jemals alles gefunden, wonach du gesucht hast?“, fragte sie.
„Nur ein einziges Mal“, erwiderte er, und sein durchdringender Blick verriet, dass er sie damit meinte.
„Ich will mir keine allzu großen Hoffnungen machen“, erwiderte sie rasch, während sie begann, den Picknickkorb auszupacken. „Dann ist die Enttäuschung hinterher nicht gar so groß.“
Sie holte einen knusprigen Laib Brot hervor und dann eine Flasche mit aromatischem Olivenöl. Olivia roch daran und seufzte genüsslich. „Man merkt, dass wir wieder in Griechenland sind.“
Jack setzte sich auf die andere Seite der Tischdecke und brach ein Stück Brot ab. „Du kennst doch sicher das Märchen von der rebellischen griechischen Ehefrau?“
„Nein, aber du wirst es mir vermutlich gleich erzählen“, erwiderte sie, während sie einen Behälter mit dicken weißen Bohnen und einen mit marinierten Artischockenherzen öffnete. Solche Geschichten waren ein unverfänglicheres Thema, als wenn sie über sich selbst und die Vergangenheit sprachen.
„Beharrlich verweigerte sie sich ihrem Mann, bis er ihr den Körper sieben Tage und sieben Nächte lang mit Olivenöl einrieb. Am achten Tag gab sie endlich nach, und sie liebten sich unter den Olivenbäumen.“
„Da es ein Märchen ist, nehme ich an, dass sie glücklich bis an ihr Lebensende zusammenlebten, oder?“ Olivia reichte ihm die Flasche mit dem Öl.
„Oh ja, bestimmt.“
Dann öffnete Olivia, um sich abzulenken, weitere Behältnisse. Alle enthielten leckere griechische Spezialitäten. Anscheinend gab es tatsächlich kein Thema, das sich nicht in irgendeiner Weise auf sie und Jack bezog. Ob es sich um Ehe und Sex handelte, die Vergangenheit oder die Zukunft – es schien immer sie beide zu betreffen. Der Ausdruck in Jacks Augen sagte ihr, dass es ihm genauso bewusst war wie ihr.
„Hier, probier mal.“ Olivia reichte ihm einen Pappteller mit Gurkenscheiben, wundervoll duftenden Kirschtomaten und Schafskäse.
„Ah, horiatiki salata, einer meiner Favoriten“, sagte er. „Das ruft Erinnerungen wach.“
„Was tut das nicht?“, murmelte OIivia vor sich hin. Wenn sie nicht aufpasste, drohten die Erinnerungen sie sogar zu überwältigen.
5. KAPITEL
„Hallo, Lady.“
Olivia öffnete die Augen. Sie musste unter den Bäumen, wo sie sich nach dem Essen ein wenig ausgestreckt hatte, eingeschlafen sein.
„Elias!“, rief sie überrascht und setzte sich auf. „Wie kommst du hierher?“
„Mein Vater arbeitet hier.“ Er deutete zur anderen Seite des Feldes, wo einige Männer allerlei Gerätschaften von einem Lastwagen luden.
Sie langte in den Picknickkorb, den Jack in der Zwischenzeit wieder gepackt haben musste, und holte eine Handvoll Weintrauben heraus, die sie dem Jungen, der immer so hungrig aussah, reichte. Eifrig schob er sie sich in den Mund. Sie musste lächeln, als sie sah, wie ihm der Saft übers Kinn lief, und war versucht, ihm mit einer Serviette das Gesicht abzuwischen. Doch dafür war er schon zu groß.
„Wie alt bist du, Elias?“, fragte sie.
„Neun.“
„Und wo wohnst du?“
Der Junge deutete in die Ferne. Olivia gab sich damit zufrieden, auch wenn sie gern noch etwas über seine Familie erfahren hätte und wer ihn versorgte. Doch das stand ihr nicht zu.
Als sie sich nach Jack umschaute, sah sie ihn zusammen mit Dr. Robbins an der Ausschachtung stehen. Die beiden Männer schienen etwas Wichtiges zu besprechen. In ihrer Nähe bemerkte sie auch einige Studenten, und Olivia hoffte, dass sie nicht gesehen hatten, wie sie eingeschlafen war. Sie fuhr sich mit den Fingern durchs Haar. Die Sonne stand bereits tief am Horizont und vergoldete die umliegenden Hügel mit ihrem warmen Schein. Das Meer war ruhig und glatt. All diese Schönheit würde sie einen ganzen Sommer lang genießen können. Einen Sommer, der voller Entdeckungen sein würde. Sie nahm sich vor, ihn sich von nichts und niemandem verderben zu lassen.
Olivia stand auf, legte die Decke zusammen und tat sie wieder in den Korb. „Komm mit“, sagte sie zu Elias. „Ich möchte dich meinem … einem Freund vorstellen.“
Jack kam Olivia und dem Jungen auf halbem Weg über das Feld entgegen. „Wer ist das?“, wollte er wissen. „Hast du einen neuen Freund gewonnen?“
„Das ist Elias. Er hat mir heute Morgen beim Tragen meiner Einkaufstüten geholfen. Sein Vater ist einer von den Arbeitern hier.“
Der Junge nickte und deutete auf einen Mann in schwarzer Hose und
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