Insel der blauen Delphine
bis tief in die Nacht hinein, ehe ich genügend Holz für das Haus beisammenhatte. Den Felsen benutzte ich als Rückwand. Vorne sollte das Haus offen sein, denn der Wind wehte selten aus dieser Richtung. Die Pfosten mussten alle die gleiche Länge haben. Ich sengte sie über dem Feuer an und zersägte sie an der verbrannten Stelle mit einem Steinmesser, das ich mir in umständlicher Ar beit angefertigt hatte, denn ich hatte, wie gesagt, keine Ahnung, wie man ein solches Werkzeug herstellt. Die Pfosten rammte ich in den Boden, je vier auf beiden Seiten. Für das Dach benötigte ich die doppelte Zahl. Ich befestigte sie mit Sehnen und bedeckte das Ganze mit weiblichen Salzkrautpflanzen, die sehr breite Blätter haben. Der Winter war schon halb vorbei, als das Haus fertig dastand. Ich schlief nun jede Nacht darin und fühlte mich hinter dem starken Zaun sicher und geborgen. Wenn ich kochte, kamen die Füchse und steckten schnuppernd ihre Nase in die Ritzen zwischen den Pfählen. Auch die wilden Hunde kamen wieder. Sie nagten an den Walrippen und knurrten, weil sie mir nun nichts mehr anhaben konnten. Wieder tötete ich zwei mit Pfeilen, doch den Anführer erwischte ich nicht. In der Zeit, da ich mich mit dem Zaun und dem Haus abmühte, ernährte ich mich von Schalentieren und Barsch. Den Barsch briet ich auf einem flachen Stein. Später sah ich mich nach einem Ersatz für die verlorenen Kochtöpfe um. An der Küste gab es eine Menge großer Steine, die das Meerwasser glatt geschliffen hatte. Fast alle waren kugelrund; ich fand jedoch zwei, die in der Mitte eine Vertiefung aufwiesen. Diese rieb ich mit Sand aus, bis sie für meine Zwecke groß genug waren. In den runden Löchern konnte ich nun meinen Fisch kochen, ohne dass die gute Brühe wie bisher verloren ging. Zum Sieden der Samenkörner und der Wurzeln benutzte ich einen Korb aus Schilfrohr. Ich hatte ihn selbst geflochten, denn aufs Flechten verstand ich mich gut. Meine Schwester Ulape hatte mir diese Kunst schon vor Jahren beigebracht. Ich ließ das Geflecht an der Sonne trocknen, dann holte ich ein paar Pechklumpen am Strand, weichte sie über dem Feuer auf und bestrich damit das Innere des Korbes, damit das Wasser nicht auslaufen konnte. Mithilfe von kleinen Steinen, die ich erhitzte und dann in eine Mischung aus Wasser und Körnern warf, brachte ich eine Art Schleimsuppe zustande, die ich sehr bekömmlich fand. Als Feuerstelle diente eine Vertiefung im Boden meines Hauses. Ich hatte sie von der Erde gesäubert und mit Steinen ausgekleidet. Im Dorf Ghalasat hatten wir jeden Abend ein neues Feuer angezündet; jetzt aber ließ ich das alte einfach weiterbrennen. Vor dem Schlafengehen bedeckte ich die Asche. Am Morgen entfernte ich die Asche und blies in die Glut. Damit ersparte ich mir viel Arbeit. Außer den Hunden und Füchsen gab es auch Mäuse auf der Insel. Sie waren grau und sie hatten es besonders auf die Reste meiner Mahlzeit abgesehen, die ich von einem Tag zum anderen aufzuheben pflegte. Um sie vor den Mäusen zu schützen, musste ich sie, wie auch die übrigen Vorräte, an einem sicheren Ort aufbewahren. Ein solches Versteck boten die Löcher und Spalten in der felsigen Rückwand meines Hauses. Ich säuberte sie und füllte sie mit Steinen aus. Da sie sich ziemlich hoch über dem Erdboden befanden, kamen die Mäuse nicht an sie heran. Als der Winter vorüber war und das Gras auf den Hügeln zu grünen begann, hatte ich mir ein wohnliches Heim geschaffen. Ich war vor Wind, Regen und wilden Tieren geschützt. Ich konnte mir jede Mahlzeit kochen, auf die ich gerade Lust hatte. Ich besaß alles, was ich zum Leben brauchte. Jetzt war es an der Zeit, daran zu denken, wie ich mich der wilden Hunde entledigen könnte. Sie hatten meinen Bruder getötet und es bestand kein Zweifel, dass sie auch mich töten würden, wenn ich ihnen nicht zuvorkam. Es konnte sich so fügen, dass sie mir über den Weg liefen, wenn ich zufällig keine Waffen bei mir trug, und dann, das wusste ich, war es um mich geschehen. Eines stand fest: Ich brauchte mehr und bessere Waffen. Ich brauchte einen größeren Speer, einen größeren Bogen und spitzere Pfeile. Viele Sonnen lang durchforschte ich die Insel nach Steinen und Holz und nachts arbeitete ich an den neuen Waffen, bis mir die Augen zufielen. Und da ich im schwachen Schein des Feuers nicht viel sah, fertigte ich nur aus kleinen Sai-sai-Fischen eine Anzahl Lampen an. Der Sai-sai ist silberfarben und nicht größer als ein Finger.
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