Insel der blauen Delphine
bedrückte mich die Vorstellung von der verlassenen Insel, die mich erwartete. Wie lange würde ich dort einsam und vergessen hausen müssen? Wie viele Sonnen und Monde würden vergehen, ehe jemand sich meiner erinnerte? Ich wagte nicht, daran zu denken. Unterdessen trieb das Kanu mäßig auf dem Meer dahin. Erst als ich sah, wie das Wasser von Neuem durch das Leck zu sickern begann, griff ich wieder nach dem Paddel. Es blieb mir keine andere Wahl, als zur Insel zurückzufahren. Und ich wusste, dass ich sie nur mit sehr viel Glück erreichen würde. Der Wind erhob sich, als die Sonne über mir stand. Inzwischen aber hatte ich schon eine ordentliche Strecke zurückgelegt und das Paddel nur losgelassen, um das eindringende Wasser aus dem Kanu zu schöpfen. Da der Wind aus der Gegenrichtung kam, musste ich meine Anstrengungen verdoppeln. Ich musste auch häufiger anhalten, weil das Wasser von allen Seiten ins Kanu spritzte. Immerhin, das Leck vergrößerte sich nicht, was ich für ein gutes Omen hielt. Das zweite gute Omen waren die Delfine. Sie schwammen in einem großen Schwarm vom Westen her auf das Kanu zu, schwenkten dann plötzlich ab und begannen mir zu folgen. Sie schwammen so nahe hinter mir her, dass ich ihre Augen sehen konnte, große Augen, grünblau wie das Meer. Nach einer Weile bewegte sich der ganze Schwarm am Kanu vorbei nach vorn. Vor der Bugspitze schwammen alle durcheinander, hin und her und auf und ab; es sah aus, als webten sie mit ihren breiten Schnauzen an einem Streifen Tuch. Delfine bringen Glück. Ich war sehr froh, dass sie mich begleiteten. Meine Hände bluteten von dem beständigen Scheuern des Paddels, doch der Anblick der munteren Tiere ließ mich alle Schmerzen vergessen. Eben noch hatte ich mich einsam und elend gefühlt; jetzt spürte ich, dass ich von Freunden umgeben war, und mir wurde gleich besser. Die blauen Delfine folgten mir, bis die Sonne unterging. Dann verschwanden sie so schnell, wie sie gekommen waren, wieder zurück gegen Westen, doch in den letzten Strahlen der Sonne konnte ich ihre Leiber noch lange glitzern sehen. Und auch als die Dunkelheit längst hereingebrochen war, sah ich sie noch immer in meinen Gedanken, und dies war der Grund, weshalb ich mit aller Kraft weiterpaddelte, obgleich ich mich am liebsten hingelegt und geschlafen hätte. Mehr als alles andere waren es die blauen Delfine, denen ich meine glückliche Heimkehr verdankte. In der Nacht senkte sich der Nebel über das Meer, doch von Zeit zu Zeit blitzte hoch im Westen der rote Stern auf, den wir Magat nennen. Sein Sternbild sieht aus wie ein Krebs, dessen Namen es trägt. Ich musste oft anhalten, weil sich der Riss in den Planken zusehends verbreiterte. Ich stopfte Fasern hinein, schöpfte Wasser aus dem Kanu und dabei ging viel Zeit verloren. Die Nacht war lang, länger als die erste. Zweimal schlummerte ich auf den Knien im Kanu ein, obwohl meine Angst jetzt größer war denn je. Als endlich der Morgen graute, tauchten vor mir unter dem klaren Himmel die Umrisse der Insel auf. Von Weitem sah die Insel aus wie ein großer Fisch, der sich auf dem. Meer sonnt. Der Tag war noch jung, als ich die Küste erreichte. Die Strömung an der Südspitze trug mich an Land. Meine Beine waren von dem langen Knien steif geworden, und als das Kanu im Sand auflief, fiel ich der Länge nach hin. Nur mit Mühe kam ich wieder auf die Füße. Ich kletterte aus dem Kanu und kroch durch das seichte Wasser zum Strand. Dort lag ich lange Zeit. Ich fand es herrlich, wieder festen Boden unter mir zu spüren. Bald fiel ich in einen tiefen Schlaf.
Kapitel 11
Als ich erwachte, lagen meine Füße im Wasser und die Sonne war untergegangen. Ich fühlte mich so erschöpft, dass ich beschloss, die Nacht auf der Landzunge zu verbringen. Nachdem ich den Strand hinaufgekrochen war, um von der Flut nicht überrascht zu werden, schlief ich auch schon wieder ein. Am nächsten Morgen galt mein erster Blick dem Kanu. Es lag ganz in der Nähe auf dem sandigen Grund. Ich holte die Körbe, meinen Speer, den Bogen und die Pfeile und drehte das Kanu um, sodass der Kiel nach oben ragte. Dies tat ich, damit es von der Flut nicht ins Meer hinausgetrieben würde. Danach verließ ich die Küste und kletterte hinauf zur Bergkuppe, wo ich vor der großen Fahrt gehaust hatte. Als ich oben auf dem Felsblock stand und hinunterschaute, war mir, als sei ich sehr lange fort gewesen. Ich war glücklich, wieder daheim zu sein. Alles, was ich sah, machte mich
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