Insel der blauen Delphine
meine Schwester Ulape, wo sie wohl sein mochte und ob das Zeichen, das sie sich auf die Wangen gemalt hatte, seine Zauberkraft entfaltet hatte. Wenn ja, so war sie jetzt wohl mit Nanko verheiratet und Mutter vieler Kinder. Hätte sie alle meine Kinder sehen können, sie hätte gelacht, weil sie so ganz anders waren als die, die ich mir gewünscht hatte. Schon früh begann ich wieder Abalonen zu sammeln und ich sammelte viele, die ich auf die Klippe trug und vor dem Haus trocknen ließ. Ich wollte einen genügend großen Vorrat beisammenhaben, ehe die Aleuter kamen. Eines Tages, als ich mein Kanu auf dem Riff volllud, erblickte ich eine Otterherde im nahen Salzkraut. Die Otter jagten hintereinanderher, steckten die Köpfe ins Salzkraut, tauchten unter und kamen an einer anderen Stelle wieder hoch. Es war wie das Spiel, das wir als Kinder im Busch gespielt hatten. Ich schaute nach Mon-a-nee aus, doch einer sah aus wie der andere. Ich lud mein Kanu mit Abalonen voll und paddelte dem Festland entgegen, während einer der Otter hinter mir herschwamm. Als ich im Rudern innehielt, tauchte er unter und kam weit vor mir wieder hoch. Die Entfernung zwischen ihm und mir war groß, und doch wusste ich, wer er war. Nie hätte ich gedacht, dass ich ihn von den anderen würde unterscheiden können, aber ich wusste so bestimmt, dass es Mon-a-nee war, dass ich einen der Fische, die ich gefangen hatte, in die Höhe hielt. Otter schwimmen schnell. Ehe ich einmal atmen konnte, hatte er mir den Fisch aus der Hand geschnappt. Zwei Monde lang sah ich ihn danach nicht mehr, aber eines Morgens, als ich auf dem Riff fischte, kam er plötzlich aus dem Salzkraut geschwommen. Hinter ihm schwammen zwei kleine Otter. Sie waren nicht größer als neugeborene Hunde und sie kamen so langsam voran, dass Mon-a-nee sie von Zeit zu Zeit zur Eile antreiben musste. Die neugeborenen Seeotter können nicht schwimmen; sie müssen sich an ihre Mütter klammern. Nach und nach bringt die Mutter den Jungen das Schwimmen bei, indem sie sie mit ihren Flossen wegschiebt und dann im Kreise um sie herumschwimmt, bis sie ihr folgen. Mon-a-nee schwamm nahe an das Riff heran und ich warf einen Fisch ins Wasser. Er schnappte ihn nicht gleich, wie er es sonst zu tun pflegte; anscheinend wollte er wissen, was die Jungen damit anfangen würden. Als er sah, dass sie sich mehr für mich als für das Fressen interessierten und der Fisch davonzuschwimmen begann, packte er ihn mit seinen scharfen Zähnen und warf ihn den Jungen vor die Schnauze. Ich warf einen zweiten Fisch für Mon-anee ins Wasser, doch er tat das Gleiche wie vorher. Auch jetzt wollten die Kleinen nichts davon wissen, und als sie des Spiels endlich müde waren, schwammen sie dicht an ihren Vater heran und gruben ihm zärtlich ihre Schnauze ins Fell. Erst da erkannte ich, dass Mon-a-nee nicht ihr Vater, sondern ihre Mutter war. Die Otter paaren sich auf Lebenszeit, und wenn die Mutter stirbt, erzieht meist der Vater die Jungen, so gut er es versteht. Ein solches Schicksal hatte ich auch hinter Mon-a-nee vermutet. Ich schaute auf die kleine Familie hinunter. “Mona-nee”, sagte ich, “du musst einen neuen Namen haben. Ich werde dich Won-a-nee nennen, das passt zu dir, denn es bedeutet >das Mädchen mit den großen Augen<. ” Die jungen Otter wuchsen rasch heran und schnappten mir bald die Fische aus der Hand, aber Won-a-nee fraß lieber Abalonen. Sie ließ die Abalone, die ich ihr zuwarf, auf den Meeresgrund sinken, dann tauchte sie unter und kam, die Muschel an sich gepresst und in der Schnauze einen Stein, wieder zum Vorschein. Sie drehte sich im Wasser auf den Rücken, legte sich die Abalone auf die Brust und hämmerte mit dem Stein auf die Schale, bis diese zersprang. Dies brachte sie auch den Jungen bei. Ich saß bisweilen einen ganzen Morgen lang auf dem Riff und sah zu, wie die drei die harten Muscheln auf ihrer Brust zertrümmerten. Hätten nicht alle Otter die Abalone auf diese Weise gefressen, so hätte ich es für ein Spiel gehalten, das Won-a-nee mir zuliebe erfunden hat. Doch sie taten es alle und ich wunderte mich darüber und wundere mich heute noch. Nach jenem Sommer, nach meiner Freundschaft mit Won-a-nee und ihren Jungen, brachte ich nie mehr einen Otter um. Ich besaß einen Umhang aus Otterfell und ich trug ihn, bis er alt und schäbig geworden war, doch danach nähte ich mir nie wieder einen neuen. Ich tötete auch keine Kormorane mehr um ihrer schönen Federn willen, wenngleich sie lange,
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