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Insel der Freibeuter

Insel der Freibeuter

Titel: Insel der Freibeuter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alberto Vazquez-Figueroa
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Hängematte, setzte sich auf die Reling des Achterkastells und ließ eine mächtige Stimme erschallen, die nur bei Befehlen zum Einsatz kam.
    »Die Masten hoch! Alle Segel setzen! Steuer hart
    Backbord! Wir machen Jagd auf diese Idioten!«
    »Auf einen rostigen Pott?« wunderte sich der Steuermann.
    »Von wegen Pott, du Schwachkopf!« lautete die
    Antwort. »Auf tausend Perlen!«
    Für den jungen Sebastian Heredia war es ein un-
    vergeßliches Schauspiel, wie sich die bis dahin apathische Besatzung der Jacare plötzlich auf die Taue und Segel stürzte. Jeder wußte offensichtlich genau, was er zu tun hatte, und stellte sich dabei so geschickt an, daß zehn Minuten später der schneidige Bug des Schiffes wie die Rückenflosse eines verrückt gewordenen Delphins durch die Wogen glitt.
    Die Jacare legte sich so steil nach Steuerbord, daß beinahe Wasser auf Deck strömte, und während sich der größte Teil der Mannschaft an die Backbordre-ling klammerte, um ein Gegengewicht zu schaffen,
    glitt das elegante Schiff wie eine riesige Möwe mit blauem Bauch und weißen Schwingen über das
    Meer hinweg, als hätte sie einen an der Wasserober-fläche schwimmenden Fisch entdeckt.
    Die Nacht brach herein, ohne daß sie ihre Beute
    entdeckt hätten. Um das Schiff wieder in eine stabile Lage zu bringen, nahm man etwas Fahrt zurück.
    Drei Stunden später meldete der Ausguck einen
    Lichtschein direkt voraus. Der Kapitän ließ daraufhin alle Lichter löschen und befahl absolute Ruhe.
    Man beschränkte sich darauf, dem Lichtschein des
    Seelenverkäufers zu folgen, ohne daß dieser etwas von der Anwesenheit des Piratenschiffs ahnte.
    Bei Morgengrauen hatte sich die Jacare bis auf eine halbe Seemeile an das Achterdeck des Schiffs he-rangeschlichen. Nunmehr ließ Kapitän Jacare Jack
    seine Kriegsflagge hissen und einen Warnschuß ab-
    feuern.
    Als der Kapitän der Nueva Esperanza die 32 riesi-
    gen Kanonen und die schwarze Flagge erblickte, traf er eine kluge Entscheidung: die Segel zu streichen und an Ort und Stelle zu verharren. Man mußte kein genialer Seestratege sein, um einzusehen, daß es
    reinen Selbstmord bedeutet hätte, sich auf eine
    Schlacht einzulassen.
    Nach den ungeschriebenen Gesetzen des Meeres
    mußte ein Pirat einen Feind schonen, der sich ihm bedingungslos ergeben hatte, und wer immer in der Karibik segelte, wußte, daß die Flagge mit dem
    Krokodil, das einen Totenkopf im Rachen hatte,
    einem schottischen Kapitän gehörte, der diese Ge-
    setze stets respektiert hatte.
    Die Piraten hißten nämlich nicht, wie allgemein irrtümlich angenommen wird, alle die gleiche schwar-
    ze Fahne mit Totenkopf und gekreuzten Knochen.
    Diese gehörte eigentlich nur einem stelzbeinigen
    Iren namens Edward England, mit dem Beinamen
    »Kapitän ohne Schiff«, einem armen Teufel, der so gutmütig war, daß ihn seine blutrünstigen Begleiter schließlich an einem einsamen Strand von Madagas-kar aussetzten. Dort starb er Jahre später, weil er nicht mit den barbarischen Verbrechen fertigwurde, die seine alte Mannschaft unter seiner geliebten
    Flagge beging.
    Wenn die Kapitäne ein Schiff ausrüsteten und auf
    Kaperfahrt gingen, dachten sie lange über ein un-
    verwechselbares Wappen nach, denn davon konnte
    Erfolg oder Scheitern abhängen. Für die Besatzung eines Schiffes, die eine Piratenflagge am Horizont erblickte, machte es nämlich einen enormen Unterschied, ob es sich dabei um den Totenkopf mit drei Lilien handelte, die den allseits respektierten franzö-
    sischen Chevalier de Grammont ankündigte, oder
    um das zuprostende Skelett des grausamen
    L’Olonnois oder gar um den unverzierten Totenkopf des teuflischen Mombars.
    Bei Jacare Jack oder dem Chevalier de Grammont
    konnte man es riskieren, die Segel zu streichen und die Waffen zu strecken, bei Mombars oder
    L’Olonnois gab es nur Reißaus oder Kampf, und
    wenn das nicht half, konnte man sich nur noch mit einem Stein um den Hals ins Meer stürzen, um den
    bestialischen Foltern zu entgehen, an denen sich
    diese unbeschreiblichen Sadisten zu ergötzen pflegten.
    Kein Wunder also, daß der Kapitän der Nueva
    Esperanza, kaum hatte ihn der Warnschuß geweckt
    und er die Flagge mit dem Kaiman im Nebel ausge-
    macht, beidrehen ließ und seinen Männern befahl,
    sich mit den Händen an der Reling aufzustellen, damit niemand auch nur im geringsten an seinen fried-lichen Absichten zweifeln konnte.
    Als erster schwang sich der Panamese Lucas Ca-
    stano an Bord des alten

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