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Insel der Freibeuter

Insel der Freibeuter

Titel: Insel der Freibeuter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alberto Vazquez-Figueroa
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Meer hinaus. Kaum dämmerte
    der Morgen, da tauchten sie schon ein ums andere
    Mal in die Tiefen hinab, während Frauen und Kinder mit flinken Händen die Austern knackten, um nach
    runden und schimmernden Perlen zu suchen.
    Immer wenn sie eine gute Handvoll zusammen hat-
    ten, hißten sie die Segel und nahmen Kurs auf Juan Griego, um an Bord der Nueva Esperanza ihren
    Handel abzuschließen.
    Als schließlich kein Nagel mehr übrig war, verließ Sebastián Heredia den alten Pott, der in der Bucht noch lange auf neue Segel warten würde, kehrte an Bord der Jacare zurück und legte vor dem lächelnden Kapitän zwei mittelgroße Säcke nieder.
    »Im einen Sack ist das, was ich versprochen habe.
    Und im anderen der Überschuß. Die Hälfte davon
    gehört mir!«
    »Was Jacare Jack verspricht, hält er auch«, lautete die Antwort. »Nimm dir, was dir zusteht.«
    Als der Junge seinen Anteil entnommen hatte, ließ der Kapitän den Rest unter der Mannschaft verteilen, und zwar so, wie es die traditionellen Regeln der Bruderschaft der Küste vorschrieben. Danach kam
    dem Kapitän als Ausrüster des Schiffes ein Drittel der Beute zu, seinem Stellvertreter ein Zehntel. Was übrig blieb, wurde nach Rang und Dauer der Zugehörigkeit an die einzelnen Besatzungsmitglieder
    verteilt, wobei man einen Teil für Krankheiten und unvorhergesehene Notfälle beiseite legte.
    In dieser Nacht veranstaltete die Besatzung ein
    enormes Saufgelage und prostete unzählige Male
    dem Jungen zu, der ihr ohne jegliches Blutvergießen zu so unerwartetem Reichtum verholfen hatte. Am
    nächsten Tag ließ der bereits nüchterne Kapitän Jacare Jack das Schiff in See stechen, winkte Lucas Castano zu sich und gab dem erstaunten Panamesen
    zu verstehen:
    »Ich denke, wir sollten uns so viele Schiffe wie
    möglich holen, bevor sich herumspricht, daß es wesentlich lukrativer und ungefährlicher ist, Schiffe anzugreifen, die aus Europa kommen, anstatt dorthin zu fahren.«
    »Ihr wollt doch nicht etwa das Ganze wiederho-
    len?« entrüstete sich sein Stellvertreter.
    »Warum denn nicht?« lautete die logische Antwort.
    »Wir sollten unsere Glückssträhne nutzen, solange sie andauert.«
    »Das ist eines Piraten unwürdig, der etwas auf sich hält«, gab Lucas Castano zu bedenken.
    »Hör mal zu, du Schwachkopf!« entgegnete sein
    Kapitän in aller Seelenruhe. »Ein Pirat hat nur eine Sorge: reich zu werden, bevor man ihn aufhängt.
    Und auf diese Weise klappt das doch wunderbar,
    also halt am besten den Schnabel wie bisher, und du wirst alt werden.«
    Lucas Castano beherzigte den Rat, und so änderte
    die Jacare als erstes Schiff auf hoher See die in der Karibik herrschende Piratenstrategie. Statt zwischen der Insel Tortuga und den Bahamas den riesigen
    Galeonen aufzulauern, die gegen Ende des Sommers
    mit ihren Schätzen auf der Nordroute nach Spanien zurückkehrten, kreuzte die Jacare in den Gewässern von Barbados und Grenada, um die schwerfälligen
    Frachtschiffe zu überfallen, die sich ohne Begleitschutz der spanischen Flotte, die einmal jährlich von Sevilla nach Westindien fuhr, auf den Weg in die
    Neue Welt machten.
    Die schwerfälligen spanischen Galeonen setzten
    fast ausschließlich quadratische Segel. Mit Rückenwind segelte man damit zwar wunderbar, Seitenwin-
    de konnte man dagegen kaum ausnutzen. Daher gab
    es für die Steuermänner schon seit einem Jahrhun-
    dert nur zwei Atlantikrouten. Auf dem Weg in die
    Neue Welt nutzte man die Passatwinde, die im Ok-
    tober oder November zu blasen begannen. Mit die-
    sem Rückenwind dauerte die Überfahrt von den Ka-
    narischen Inseln nach Barbados nur einen guten
    Monat. Für die Rückkehr nach Europa nutzte man
    wiederum die Westwinde, die im Hochsommer weh-
    ten und die Schiffe von den Bahamas zu den Azoren und von dort an die spanische Küste trieben.
    Aus diesem schlichten Grund entwickelte sich zwi-
    schen Sevilla, dem einzigen spanischen Hafen mit
    königlichem Patent, und einem riesigen Kontinent, von dessen wahren Grenzen man nur vage Vorstellungen hatte, ein unaufhörlicher Fluß an Menschen und Waren.
    Die englischen, französischen und holländischen
    Korsaren hatten von ihren jeweiligen Kronen den
    ausdrücklichen Auftrag, dafür zu sorgen, daß Spani-en durch Gold, Perlen, Diamanten und Smaragde aus seinen unendlich reichen Kolonien nicht noch mächtiger wurde. Also gab es für sie nur eins: die reichen Schätze auf ihrem Weg nach Spanien abzufangen,
    auch wenn man dafür besagte Galeonen auf

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