Insel der Freibeuter
dir denn ein?« bot der Bestürzte
erstmals seinem Kapitän die Stirn. »Noch nie waren Frauen an Bord der Jacare! Die bringen Unheil.«‘
»Das ist nicht irgendeine Frau«, gab ihm Jacare
Jack zu bedenken. »Es handelt sich um meine
Schwester.«
»Alle Frauen sind die Schwestern von einem Kerl,
deshalb bringen sie nicht weniger Unheil. Wo willst du sie denn absetzen?«
»Daran habe ich noch nicht gedacht.«
»Das solltest du aber, denn das werden die Männer als erstes wissen wollen«, ermahnte ihn der Panamese. »Viele an Bord sind abergläubisch. Und jetzt
sollten wir uns aus dem Staub machen, denn hier
sind wir in Gefahr.«
Als sie ins Boot stiegen, ergriff Celeste eine Fackel und deutete mit dem Kopf auf die Kutsche, deren
Räder das Meer umspülte.
»Denk an dein Versprechen!« wandte sie sich an
ihren Bruder.
»Wenn’s dir Spaß macht…«
»Du weißt ja nicht wie…!«
Bedächtig ging sie auf die Kutsche zu und setzte
sie in Brand, bis die Flammen heftig loderten.
Anschließend kletterte sie in das Boot, machte es sich auf dem Achtersteven bequem und betrachtete
den riesigen Scheiterhaufen, dessen Flammenschein sich in der stillen Bucht spiegelte. Die Rappen, die sich wieder etwas erholt hatten, galoppierten hin und her, während sie erschreckt oder vielleicht auch
glücklich darüber wieherten, daß sie diesen schweren Sarg, an den sie viele Jahre lang gespannt waren, nie wieder über die staubigen und steinigen Wege
würden ziehen müssen.
Als die Schaluppe schließlich an der Jacare anlegte, war von der verhaßten Kutsche nichts weiter übrig als ein Haufen rauchender Asche.
Don Cayetano Miranda Portocarrero y Diaz de
Mendoza musterte mit strengem Blick den Mann,
der am anderen Ende der riesigen Mahagonitafel
Platz genommen hatte, und nach einer kalkulierten Pause begann er mit tadelnder Stimme zu sprechen:
»In den Sümpfen des Orinoco-Deltas wimmelt es
im Augenblick von über fünfhundert entlaufenen
Sklaven, die, wenn ich richtig informiert bin, Euch gehören. Jetzt fügen sie unseren Truppen unzählige Verluste zu.« Er räusperte sich und nahm eine Prise Schnupftabak aus einem schweren goldenen Kästchen. »Und Ihr wißt sehr gut, daß die strengen Vorschriften es den Mitgliedern der Casa ausdrücklich verbieten, mit Sklaven zu handeln…«Er machte eine neuerliche Pause. »Oder wußtet Ihr es vielleicht
nicht?«
»Es war mir bekannt.«
»Dann dürfte Euch auch klar sein, daß dieser
schwere Verstoß allein genügt hätte, Eure brillante Karriere zu ruinieren.« Seine Exzellenz Don Cayetano Miranda Portocarrero y Diaz de Mendoza stieß einen tiefen Seufzer aus, als könne er das, was er nun hinzufügen mußte, gar nicht fassen, und eigentlich konnte er es wirklich nicht. »Doch als wäre dies alles noch nicht genug, kommt Ihr heute zu mir, um zu beichten, daß man Euch über zweitausend Perlen bester Qualität gestohlen hat, die Ihr in Eurer
Dummheit in Eurem eigenen Haus aufbewahrt habt.
Das erscheint mir nun wirklich unerhört.«
»Ich schwöre Euch, daß ich sie dort sicherer glaub-te.«
»Ihr seht ja, wie sicher sie dort waren, wo Ihr es auch noch Eurer Geliebten erzählt habt.«
»Emiliana wußte nichts davon.«
»Ihre Tochter offensichtlich schon, was um so
schändlicher ist, da diese Tatsache eine in jeder Hinsicht verabscheuungswürdige Beziehung zwischen
einem reifen Mann und einem Kind nahelegt.«
»Celeste ist kein Kind mehr«, protestierte der andere. »Seit Ihr sie das letzte Mal gesehen habt…«
»Sagt lieber nichts, Don Hernando!« rief sein Ge-
genüber empört aus. »Sagt lieber nichts! Was Ihr
getan habt, ist unverzeihlich. Und das ist noch nicht einmal das Schlimmste: Das Schlimmste ist, daß Ihr den guten Namen der Casa de Contratación in den
Schmutz gezogen habt. Gütiger Gott!« Don Caye-
tano Miranda Portocarrero y Diaz de Mendoza warf
einen langen Blick auf das riesige Bildnis von Monsignore Rodrigo de Fonseca, der über das strenge
Gemach wachte. »Was würde unser Gründer sagen,
wenn er sähe, wie tief wir gesunken sind…? Und
was wird man in Sevilla sagen, wenn die Flotte dort eintrifft und man feststellt, daß keine einzige Perle dabei ist, die auch nur eine elende Dublone wert
ist?«
Schweigen war die Antwort, denn Don Hernando
Pedrárias Gotarredona wußte auf keine einzige Fra-ge eine Antwort und war so beschämt und niederge-
schlagen, daß er fast in Tränen auszubrechen schien.
»Viele Irrtümer haben wir
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