Insel der Freibeuter
Celeste Heredia die kostbare Tapete und murmelte:
»Ich hätte Lust, sie anzuzünden.«
Ihr Bruder blickte sie sichtlich überrascht an:
»Warte damit bis Manzanillo.«
»Erlaubst du es mir?«
»Natürlich!«
Die restliche Fahrt über sagte das Mädchen kein
Wort mehr und schloß die Augen, nicht weil die
anstrengende Fahrt sie ermüdet hätte, sondern weil sie sich ganz der Vorfreude hingeben wollte, bald die verhaßte Kutsche in Asche sinken zu sehen.
Für die übrigen Einwohner der Insel mochte die
Kutsche ein Symbol der Tyrannei sein, für Celeste war sie darüber hinaus auch das Sinnbild der Perver-sion.
Zwischen den engen, flammend rot ausgeschlage-
nen Wänden der Kutsche hatte Celeste, die sich zu diesem Zeitpunkt noch nicht einmal als Frau fühlte, zum ersten Mal die verstohlenen Blicke des feurigen Liebhabers ihrer Mutter wahrgenommen. Hier hatte
Don Hernando Pedrárias, den Blicken der Außen-
welt entzogen, mit seinen schleichenden und hinter-hältigen sexuellen Nachstellungen begonnen.
Aus einem merkwürdigen Grund, den Celeste nie-
mals nachvollziehen konnte, schien die stickige in-time Atmosphäre im Inneren der Kutsche und deren
ständiges Rattern den Gesandten der Casa de Con-
tratación besonders zu erregen. Fast unmerklich
wurde aus anzüglichen Blicken kaum verhohlenes
Herumscharwenzeln, um schließlich in ein wider-
wärtiges erotisches Spiel auszuarten, in dem es nicht so sehr darum ging, das Mädchen körperlich zu besitzen, sondern vielmehr um das morbide Vergnü-
gen, es sittlich zu verderben.
Don Hernando Pedrárias Gotarredona wußte näm-
lich nur zu gut, daß die Heilige Inquisition, die einzige Autorität, die er wirklich fürchtete, ihn trotz seines hohen Rangs mit extremer Strenge richten
würde, falls er auf die unselige Idee käme, ein min-derjähriges Mündel zu mißbrauchen. Daher hatte er sich für einen Umweg entschieden: Er wollte sie so sehr erregen, daß sie ihm an dem Tag, an dem er sie dafür reif ansah, mit gleicher Leichtigkeit in die Ar-me fallen würde wie einst ihre Mutter.
»Woran denkst du, wenn du deine Mutter mitten in
der Nacht schreien hörst?« hatte er sie an einem
schwülen Mittag belästigt, an dem sie gemeinsam
nach Porlamar fuhren. »Bist du nicht neugierig?«
»In der Nacht schlafe ich«, hatte die trockene Antwort des charakterfesten Mädchens gelautet.
»Nicht doch!« hatte Don Hernando spöttisch ge-
antwortet. »Ich weiß, daß du nicht schläfst. Ich weiß, daß du lauschst, und ich kann mir vorstellen, daß du dann, wenn du sie hörst, dich da zu streicheln be-ginnst, wo du es am liebsten hast.« Er blickte ihr direkt in die Augen und senkte die Stimme: »Gefällt dir das?«
Er erhielt nur einen stummen Blick voller Verach-
tung, worauf er ein gezwungenes Lachen hören ließ.
»Ach komm! Spiel nicht die Unschuldige! Ich weiß
doch, daß sich die Mädchen deines Alters gern allein vergnügen, aber ich garantiere dir, es macht dir noch viel mehr Spaß, wenn dir einer dabei zusieht.«
Celeste blieb weiterhin stumm. Nachdem Hernando
eine Weile aus dem Fenster gesehen hatte, fuhr er fort:
»Du mußt dich deshalb nicht schämen, denn wenn
dich eines Tages ein Mann streichelt, wirst du es um so mehr genießen.« Er blickte ihr anzüglich zwischen die Oberschenkel. »Warum zeigst du mir
nicht, wie du es machst?« säuselte er. »Na komm,
heb den Rock!«
»Du bist ein Schwein«, gab Celeste knapp zurück.
Don Hernando Pedrárias neigte sich ein wenig vor
und verpaßte ihr eine sanfte Ohrfeige.
»Das ist ja die Höhe!« heuchelte er den Beleidig-
ten. »Wie redest du denn mit mir, wo ich doch nur Verständnis aufbringen will. Ich werde dich nicht anrühren. Ich möchte nur, daß du so tust, als wärst du allein.«
Als einzige Antwort zeigte das kecke Mädchen ein
spöttisches Lächeln und ließ einen lauten Furz hö-
ren.
»Das mache ich, wenn ich allein bin.«
»Unverschämte Närrin!« tobte ihr Gegenüber.
»Ohne mich würdest du schon seit Jahren bettelnd
durch die Straßen ziehen, und wahrscheinlich wür-
dest du inzwischen schon deinen Körper verkaufen
wie alle aus deiner Sippschaft. Wegen mir lebst du in einem Palast, hast Kleider, Diener und sogar einen Lehrer, der dir alles beigebracht hat, was du weißt, und so bezahlst du dafür.«
»Meine Mutter hat schon für mich bezahlt«, kam es trocken zurück.
»Was sie heute bezahlt, ist nicht mehr viel wert.
Deshalb wirst du entweder bald dein
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