Insel der Freibeuter
weiterhin die »Senora« in einem
luxuriösen Palast mit einem Dutzend Diener spielen, und er wollte der erste Mann sein, der sich mit einem aufregenden Geschöpf vergnügte, das unter
seinen Augen zur Frau herangewachsen und inzwi-
schen »reif« war.
In dieser Zeit konnte das Mädchen nur auf die ei-
gene Entschlossenheit zählen, dem Verlangen der
beiden auf keinem Fall nachzugeben. Doch jetzt saß Celeste auf dem Platz, den Don Hernando Pedrárias eingenommen hatte, als er von ihr verlangt hatte, in seiner Gegenwart zu masturbieren. Sie mußte lä-
cheln, wenn sie daran dachte, was für ein Gesicht der Gesandte der Casa de Contratación von Sevilla machen würde, wenn er entdecken würde, daß von
seiner geliebten Kutsche nur noch ein Haufen Asche übrig war.
Sie schlug die Augen auf, um sich zu vergewissern, ob ihr Vater und ihr Bruder noch da waren, und als Miguel Heredia Ximénez ihren lächelnden Gesichtsausdruck sah, mußte er überrascht fragen:
»Warum grinst du wie die Katze, die einen Vogel
gefressen hat?«
»Weil ich ihn wirklich verspeist habe und noch nie so glücklich war wie jetzt. Wohin werden wir fahren?«
»Wohin der Wind uns führt«, gab ihr Bruder zu-
rück.
»Der Ort gefällt mir. Da war ich noch nie. Ist er schön?«
»Der schönste, den es gibt.«
»Woher weißt du das?«
»Weil ich schon hundert Mal dort war«, antwortete Sebastián. »Er ist das Ziel eines jeden Piraten, der etwas auf sich hält: Du segelst, wohin der Wind dich bläst, drehst um, und das Ganze beginnt von neuem.«
»Du bist verrückt, aber das gefällt mir!« rief sie aus, während sie aus ihrer großen Reisetasche ein dickes, in dunkles Leder gebundenes Buch zog.
»Wenn wir schon von Verrückten reden, hast du das gelesen?«
Sebastián nahm das Buch in die Hand und betrach-
tete es erstaunt:
»Don Quijote de la Mancha. Nein, das kenne ich
nicht. Wovon handelt es?«
»Von einem anderen Verrückten, aber der zieht
durch die ganze Welt, verwechselt Windmühlen mit
Riesen und versucht das Leben anderer Leute in
Ordnung zu bringen, obwohl das seinige es viel nö-
tiger hätte. In Spanien soll das ein Riesenerfolg sein.«
»Die Geschichte eines Irren ein Erfolg?« erstaunte sich ihr Vater, und nachdem Celeste mit dem Kopf
genickt hatte, fügte er belustigt hinzu: »Wenn das so ist, dann werde ich meine eigene niederschreiben.«
»Du bist nicht verrückt«, tadelte ihn Celeste.
»Frag deinen Bruder!« Er wandte sich Sebastián
zu. »War ich verrückt oder nicht?«
Der Angesprochene klopfte ihm liebevoll auf die
Knie:
»Ein langes Leiden kann einen an den Rand des
Wahnsinns treiben, aber selbst wenn es so war, es ist vorbei.«
»Das will ich hoffen…«
Inzwischen war es Nacht geworden, der Weg wur-
de immer schmaler, je weiter sie sich von der Hauptstadt entfernten. Nachdem sie den Weg, der hinunter in das entvölkerte Fischernest Aricagua führte, verlassen hatten, mußte Sebastian eine Fackel entzünden und die völlig erschöpften Pferde am Zügel führen.
Dreimal hätten sie sich fast verirrt, doch auf einem beschwerlichen Saumpfad erreichten sie schließlich eine kleine Bucht. Der junge Kapitän Jacare Jack
wandte sich seinem Vater zu, der angestrengt durch die Dunkelheit spähte:
»Jetzt fehlt nur noch, daß sie mich verraten haben.«
»Wer könnte das fertiggebracht haben?«
»Außer Lucas Castano jeder«, lautete die bestimm-
te Antwort. »Dieses Schiff ist sehr begehrt.«
Er ging auf Celeste zu, die ihre Röcke angehoben
hatte, um ihre Füße in die sanften Wellen zu tau-
chen, und fragte:
»Hast du denn gar keine Angst, auf einem Piraten-
schiff zu segeln?«
»Mit dir als Kapitän? Überhaupt nicht!«
»Mir ist schon bange dabei«, gestand ihr Bruder
ein. »Noch weiß ich nicht so recht, wie diese wilde Bande darauf reagieren wird, wenn sie erfährt, daß ein Mädchen an Bord ist.«
»Mach dir keine Sorgen!« beruhigte sie ihn. »Ich
war noch keine zwölf, da konnte ich mir schon Hernando Pedrárias vom Leib halten. Jetzt nehme ich es mit jedem auf. Ich werde dir keine Probleme machen.«
»Das bezweifle ich.«
Ähnlich äußerte sich Lucas Castano, als er zwei
Stunden später an Land ging, wo sich ihm ein seltsames Bild bot: eine goldene Kutsche, zwei er-
schöpfte Pferde, drei Männer, die ihm freudestrahlend eine Kiste voller Perlen zeigten, und ein schö-
nes munteres Mädchen, das aussah, als wolle es zu einem Picknick auf dem Lande.
»Aber was fällt
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