Insel der Freibeuter
Verhalten oder deine Lebensweise ändern, denn ich bin es inzwischen leid, Schmarotzer durchzufüttern.« Er deutete aus dem Fenster. »Und ich garantiere dir, das Leben da draußen ist kein Zuckerschlecken.«
Nach dieser unangenehmen Szene wurde Don Her-
nandos Druck immer stärker und widerwärtiger, so
daß Celeste sich gezwungen sah, nicht mehr mit ihm in eine Kutsche zu steigen, nicht einmal für die kurze Fahrt zum nahen Franziskanerkloster in La Asuncion.
Im Haus selbst hielt sich Don Hernando Pedrárias
mit seinen Avancen zurück. Vielleicht war Emilia-
nas Anwesenheit daran schuld, vielleicht aber auch die Furcht vor den Bemerkungen einiger Diener, die alle seine Worte und Gesten mit Argusaugen zu verfolgen schienen. Das Mädchen war jedoch davon
überzeugt, daß ihre eigene Mutter ihm den Weg eb-
nen würde.
In einer Nacht schließlich, in der Emiliana Mata-
moros offenbar vergeblich versucht hatte, den Mann zu erregen, wegen dem sie ihren Gatten verlassen
hatte, weckte sie ihre Tochter auf und eröffnete ihr ein Geheimnis, das im ganzen Haus, ja auf der ganzen Insel bereits die Spatzen von den Dächern pfiffen.
»Das muß aufhören, Tochter«, murmelte sie ver-
zweifelt. »Entweder sorgst du dafür, daß Don Her-
nando dich heiratet, oder wir tauschen die Schlafzimmer, ansonsten sehe ich uns beide auf der Stra-
ße.« Sie betrachtete sich im riesigen Spiegel der Kommode: fett, verschwitzt, mit zerzaustem Haar
und verlaufener dicker Schminke, und schüttelte den Kopf, als wolle sie sich ihre unausweichliche Nie-derlage eingestehen. »Ich bin schon zu alt, um weiterzukämpfen!« sagte sie mit rauher Stimme. »Jetzt bist du dran.«
»Ich hab mir dieses Leben nicht ausgesucht«, gab
Celeste ungerührt zurück. »Du weißt, daß ich lieber in Juan Griego geblieben wäre.«
»Du weißt ja nicht, was du sagst!« tadelte sie ihre Mutter mit sichtbarer Bitterkeit. »Du hast ja keine Ahnung, was Armut bedeutet. Den ganzen Tag putzte und knackte ich Austern, bis ich Blasen an den Händen hatte, ich roch nach Fisch und hatte nur ein einziges Kleid, das ich in der Nacht waschen mußte, damit ich am Morgen etwas Sauberes zum Anziehen
hatte. Und oft war es bis dahin noch nicht einmal trocken.«
»Das kann nicht viel schlimmer sein, als den Sab-
ber eines Schweins zu ertragen«, widersprach ihre Tochter, ohne die Ruhe zu verlieren. »Er behandelt dich wie Abfall, der nur fürs Bett gut ist, und offensichtlich taugst du nicht einmal dafür.«
»Früher schon«, lautete die resignierte Antwort der Mutter. »Es gab Zeiten, da betete Hernando mich
an…«
»Oh ja! Ich weiß noch gut, wie er deine Brüste
küßte und schallend lachte, wenn er dir unter den Rock faßte, auch wenn Leute dabei zusahen.« Sie
zuckte mit den Schultern. »Aber das ist lange her.«
»Männer sind nun mal so.«
»Papa nicht.«
»Woher willst du das wissen?« heuchelte die zer-
zauste dicke Frau Empörung. »Vielleicht damals
nicht, aber er hätte so werden können.« Sie beugte sich über ihre Tochter, um fast wütend zu murmeln:
»Nütze deine Jugend aus und mach nicht den glei-
chen Fehler wie ich, einen Hungerleider zu heiraten.
Wenn du klug bist, wirst du alles bekommen, was du willst. Ich weiß, wie man Hernando zufriedenstellt.«
»Das ist offensichtlich«, versetzte das Mädchen mit sichtlicher Ironie. »Du weißt, was du tun mußt, aber mich bittest du, mit ihm zu schlafen, damit er uns nicht hinauswirft.« Sie schüttelte bedauernd den
Kopf. »Und was, wenn er mich irgendwann auch
satt hat? Glaubst du, er wird dann mehr Mitleid haben?«
»Er wird uns nicht vor die Tür setzen, wenn du
schwanger bist. Es war ein Fehler von mir, ihm keinen Sohn zu schenken. Allmählich wird er alt und
weiß, daß er Nachwuchs braucht, um das zu bewah-
ren, was er angesammelt hat.«
»Jetzt hör mir mal zu!« entgegnete das aufgeweck-
te Mädchen ungewöhnlich ernst. »Bevor ich vom
Liebhaber meiner Mutter ein Kind bekomme, gehe
ich lieber in ein Bordell von Porlamar. Das
Schlimmste, was mir dort passieren kann, ist, daß mich ein Seemann oder ein Soldat schwängert, aber niemals so ein Mistkerl.«
Trotz ihrer kategorischen Antwort wußte Celeste
Heredia, daß in dieser Nacht das letzte Wort in dieser leidigen Angelegenheit noch nicht gesprochen
war. Weder ihre Mutter noch Don Hernando Pedrá-
rias würden sich mit ihrer Entscheidung zufriedengeben. Beide wußten nur zu gut, was sie wollten:
Emiliana wollte
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