Insel der glühenden Sonne
Siedlern oder den Gefangenen, die auf Bewährung freigelassen wurden, kein Mitgefühl zu erwarten war, wenn sich die ausgemergelten Männer in Ketten an ihnen vorüberschleppten. Als wäre die gesamte Bevölkerung hypnotisiert und würde die grausame Behandlung als normal empfinden. Sie galten weniger als Lasttiere, waren wertlos und eine Schande für die Gemeinschaft. Doch wer hatte die Regierungsgebäude und Lagerhäuser errichtet, die Straßen gepflastert und die Kaianlagen gebaut? Wer hatte die Ziegel gebrannt? Natürlich die wertlosen Sträflinge, viele von ihnen Lebenslängliche, deren einziger Ausweg der Wahnsinn zu sein schien. Alle wussten vom Irrenhaus, das hinter den Gefängnisbaracken verborgen lag.
Angus seufzte. Er musste seine Wut beherrschen, sich mit den Wärtern anfreunden. Aber wie? Er fing an, sie genauer zu beobachten.
Nach der Arbeit begaben sich die Sträflinge in den Speiseraum, wo sie ihre Zwangsarbeiterration erhielten, die aus einem halben Liter Suppe, Rindfleisch und Gemüseeintopf bestand, montags gab es Brot und ein Stück Käse dazu. Jeder wusste genau, was ihm zustand, und wenn etwas nicht stimmte, brach Tumult aus. Sie mussten die Launen der Gefängnisköche ertragen, die selbst die frischesten Lebensmittel, die ebenfalls von Sträflingen erzeugt und angebaut wurden, ruinieren konnten. Angus gestand sich ein, dass fähigere Köche aus diesen Zutaten durchaus leckere Mahlzeiten hätten bereiten können, die er sich zu Hause niemals hätte leisten können.
Nach dem Essen gesellte er sich zu einer Gruppe, die an der Wand des Hofs vor sich hin döste.
»Du da! McLeod!«
Der Ruf drang durch einen Nebel der Erschöpfung zu ihm. Er hatte geglaubt, zu Hause zu sein und die Stimme seines Vaters zu hören.
Ein Hieb traf ihn unterhalb des Ohrs.
»Steh auf, wenn ich mit dir rede!«, brüllte der Aufseher Jim Maunder. »Du und Hines, mitkommen. Wir haben zu wenig Feuerholz.«
»Ich kann mit meiner kaputten Hand kein Holz hacken«, beschwerte sich Hines. »Sehen Sie nur, die hab ich mir heute verletzt, als wir die verdammten Steine heben mussten.«
Sie war angeschwollen, was Maunder nicht im Geringsten beeindruckte. »Mitkommen, habe ich gesagt. Sofort!«
»Er wird mir keine große Hilfe sein«, wandte Angus ein. »Nehmen Sie einen anderen.«
»Na gut, dann hackst du es eben allein«, lachte Maunder. »Es muss für Küche, Wachraum und Torhaus reichen, und zwar die ganze Woche! Bist du sicher, dass du Hines nicht brauchst?«
Angus sah ihm offen ins Gesicht. Die Arbeit bliebe sowieso an ihm hängen, dafür wollte er keinen Streit mit diesem hässlichen Frettchen riskieren.
»Nein, geht schon!«
Sechs Tage die Woche Land zu roden, hatte Angus zu einem geschickten Holzfäller gemacht, doch als Maunder die Laterne auf dem Holzplatz entzündete und ihn zur Arbeit antrieb, stellte er sich absichtlich ungeschickt an. Nachdem der Aufseher sich die unbeholfene Vorstellung ein paar Minuten angesehen hatte, ging er lachend davon. Nun machte sich Angus, dessen Muskeln durch die harte Arbeit beträchtlich gestählt waren, ans Werk. Bei seiner Ankunft im Hafen von Hobart war er ein abgemagertes Wrack gewesen. Die Seekrankheit hatte ihn derart geschwächt, dass er glaubte, auf der Stelle tot umzufallen. Nun war er selbst erstaunt über die körperlichen Veränderungen, spuckte in die Hände, rieb sie und griff erneut zur Axt.
Nachdem er fertig war, brachte ihn ein Wärter zurück in die Zelle, die er mit drei Männern, darunter Freddy Hines, teilte.
»Hier, ein Stück Käse für dich«, sagte Freddy.
Angus nickte und ließ sich auf die Pritsche fallen, zu erschöpft zum Essen.
»Singer« Forbes summte eine Melodie, deren Text seine Gefährten nur zu gut kannten:
Nach und nach brech ich die Ketten
und dann renn ich in den Wald
Schieß Tyrannen übern Haufen
Dass nie mehr die Peitsche knallt …
Während die anderen in den Refrain einstimmten, stopfte Angus sich den Käse in den Mund. Er kannte sämtliche Sträflingsballaden. Sie waren trotzig, empört und verachteten jegliche Autorität. Er wünschte, er hätte sie schon in Glasgow gekannt, sie
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