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Insel der glühenden Sonne

Titel: Insel der glühenden Sonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Shaw
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hätten ihm sicher beim Kampf geholfen, weil sie die Moral der Menschen stärkten. Er erinnerte sich an seine erste Auspeitschung. Damals hatte er sich vom Rodungstrupp entfernt und fünfzig Hiebe erhalten, eine entsetzliche Strapaze für seinen knochigen Rücken. Während er gefesselt im Gefängnishof stand und die Peitsche über seine sommersprossige Haut leckte, begannen die anderen Sträflinge, die man zum Zuschauen zwang, ein Lied zu singen, das wie ein Shanty klang. Die Wärter brüllten sie an und schlugen drauflos, worauf der Gesang abrupt abbrach. Doch selbst das nachfolgende Schweigen wirkte höhnisch. Da begriff Angus, dass sie ihn mit der Ballade unterstützen wollten, und er wünschte, Joe Kirkham hätte dies erleben können.
            »Morgen kriegen wir neue Arbeit zugewiesen«, unterbrach Freddy seine Gedanken.
            »Welche? Sollen wir etwa die Ochsen vor den Wollkarren ersetzen?«
            »Man kann nie wissen. Vielleicht braucht Lady Franklin neue Tanzpartner. Ich würde sie gern mal rumwirbeln und drücken.«
            »Besorg dir erst mal ’ne Leiter«, warf »Flo« Quinlan, der vierte Zellengenosse, ein. »Die ist doch zwei Köpfe größer als du.«
            James Quinlan war ein Ire, den man deportiert hatte, weil er einem Richter aus Limerick eine Eselin gestohlen hatte. »Ein reizendes Tierchen, sie hieß Flo und der Kerl hat sie so übel behandelt, dass ich sie an mich genommen und meiner Oma geschenkt hab. Der Richter gab mir sieben Jahre und legte noch mal sieben drauf, weil ich ihm nicht sagen wollte, wo sein Esel abgeblieben war.«
            Er hatte die Geschichte so oft und in so vielen Variationen erzählt, dass niemand wusste, ob sie überhaupt stimmte, aber der Name Flo war hängen geblieben.
            Alle vier Männer waren in den Zwanzigern, Singer, der Älteste, wurde bald dreißig. Er hatte zehn Jahre wegen Diebstahls erhalten. Mit seiner schönen Tenorstimme durfte er bei seltenen Gelegenheiten für die anderen Gefangenen singen, weigerte sich aber, seine Lieder für Offiziere oder Besucher erklingen zu lassen. Er hatte deswegen Prügel und mehrere Wochen in der Tretmühle erduldet, blieb aber fest, was Angus ausgesprochen beeindruckte. Freddy hingegen war ein unverbesserlicher Wilderer, der so oft gefasst worden war, dass man ihn in die lebenslange Verbannung schickte. Auch war er ein geschickter Taschendieb, der gern seine Tricks vorführte und den Kameraden häufig etwas zu essen und Tabak mitbrachte.
            »Ich glaube, meine Hand schwillt immer weiter an«, jammerte er nun.
            »Wäre das nicht eine Schande, wenn Freddys goldenes Händchen verletzt wäre?«, meinte Singer. »Leg dich schlafen, wir sehen morgen früh danach.«
            Weiter hinten im Flur begann jemand zu schreien. Im Dunkeln überlief Angus dabei immer noch ein Schauder, doch als sich wütende Stimmen erhoben, kehrte wieder Ruhe ein. Niemand sah nach, obwohl keine Aufseher im Gebäude waren.
            Erst am Morgen fand man den Burschen, der sich in der Einzelhaft mit einem Stück Blech vier Zehen abgetrennt hatte und fast verblutet wäre.
             
            Arbeitsappell. Sie trugen alle Fußfesseln, als sie zum Verwaltungsgebäude schlurften, um sich bei dem Schreiber vorzustellen, der die Akten führte und die Gefangenen gelegentlich auch zu einem Richter schickte, der ihren Status neu bewertete. Freddy kam vor Angus dran, beklagte sich über seine verletzte Hand und wurde angewiesen, sich in die Krankenstation zu begeben und danach umgehend zurückzukommen.
            »Warum muss ich mich noch mal anstellen? Können Sie meinen Namen nicht gleich jetzt abhaken?«
            Ein Polizist stieß ihn mit dem Gewehrkolben weiter.
            »Du schon wieder, McLeod?«, seufzte der Schreiber.
            »Ich brauche eine neue Jacke, die hier fällt mir vom Leib.«
            Der Schreiber grinste. »Wir haben noch ein paar Clownsjacken da, das ist alles.«
            »Nein«, knurrte Angus. Die Clownsjacken bestanden zwar aus dem gleichen rauen Stoff wie alle anderen, waren aber halb gelb, halb schwarz und eigentlich den Lebenslänglichen vorbehalten.
            »Ich sehe, du hast dir diesen Monat wieder Peitschenhiebe eingehandelt, McLeod«, sagte der Schreiber munter. »Pass auf, sonst landest du erneut in der Tretmühle.«
            »Nie im Leben.«

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