Insel der glühenden Sonne
nachgedacht hatte. Er war erst neunzehn gewesen und hatte geglaubt, es mit den großen Herren aufnehmen zu können.
»Schlag dir das aus dem Kopf«, hatte Pa gebrüllt, als er sich der Workers’ Party anschloss, wozu ihn Joe Kirkham überredet hatte. Je länger Angus Joe zuhörte, wenn dieser vor den Toren der Gießerei seine Reden schwang, desto begründeter erschienen ihm die politischen Forderungen – dass sie bessere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen erreichen konnten, wenn sie nur zusammenhielten und es den großen Herren da oben heimzahlten. Für Angus McLeod ergab das durchaus einen Sinn. Und schien gar nicht einmal so schwer zu sein.
Ein törichter Gedanke, sinnierte er noch, als der Trupp vor dem Wachhaus stehen blieb und zwei ehemalige Sträflinge, die jetzt als Aufseher arbeiteten, die Männer durchsuchten. Sie saßen in einem Gefängnis, das sie mit eigenen Händen erbaut hatten, dachte er verbittert, als sich das Tor hinter ihm schloss und die Ketten abgenommen wurden. Er rieb sich die schwieligen Hände und sah sich um. Angus hatte zunächst mit den Trupps gearbeitet, die das Land jenseits der düsteren Mauern der Frauenfabrik rodeten. Dann errichteten sie Zellenblocks und ein Verwaltungsgebäude, die von einem hohen Palisadenzaun umgeben waren. Das Gelände war als Lager bekannt, um es von dem dunklen Ziegelgefängnis in der Nähe des Hafens zu unterscheiden. Obgleich ihre neuen Quartiere besser als das mörderisch überfüllte Gefängnis waren, blieb ihr Leben entbehrungsreich. Mittlerweile gehörte Angus zu einem anderen Arbeitstrupp, der weiter im Landesinneren eingesetzt wurde, so weit vom Lager entfernt, dass er und seine Kameraden hofften, anders eingestuft zu werden und sich somit die langen Märsche zur Arbeit und zurück zu ersparen. Sie waren Gefangene zweiter Klasse, was bedeutete, dass sie in Ketten arbeiten mussten, sich innerhalb des Lagers jedoch frei bewegen durften. Männer der dritten Klasse waren niemals frei; sie waren mit anderen Gefangenen zusammengekettet oder trugen Ketten und Eisenkugeln an den Füßen. Männer der ersten Klasse, die sich gut geführt hatten, trieb man zwar in Trupps zusammen, doch sie durften unter Aufsicht in Hütten wohnen. Die Elite waren die Männer mit Ausgangserlaubnis, die sich frei bewegen durften und eine Art Bewährungsstatus besaßen.
Angus erinnerte sich, dass er sich nach zwei Jahren in der North Glasgow Workers’ Party einen ausgezeichneten Ruf erworben und auf seine Rechte gepocht hatte, den Bossen auf Augenhöhe gegenübergetreten war, einen gescheiterten Streik angeführt und die Fenster der Gießerei eingeworfen hatte. Zwei wilde, aufregende Jahre, in denen er wirklich geglaubt hatte, das Los der armen Arbeiterfamilien zu verbessern … zwei Jahre, die ihm drei Monate auf einem üblen Transportschiff und die Verbannung an diesen gottverlassenen Ort eingetragen hatten.
Von wegen Verbannung, dachte er. Wartet ab, ihr Schweine, zuerst muss ich die Ausgangserlaubnis bekommen, dann kann ich an Flucht denken.
Doch das war nicht so einfach. Die Richter waren befugt, die Kerkerhaft jederzeit aufzuheben, wenn sich der Gefangene reuig zeigte und gut führte. Leider war Angus nicht fähig, Reue vorzutäuschen, wie es Feiglinge oder Schlauköpfe getan hätten. Er sagte offen, was er dachte, und beschwerte sich ständig wegen der Misshandlung von Gefangenen und der Einschränkung ihrer Rechte.
Angus McLeod hätte die Bewunderung seiner Mitgefangenen durchaus verdient, weil er den Mut fand, sich aufzulehnen und die nachfolgende Bestrafung klaglos zu ertragen, doch sie hielten sich lieber von ihm fern, um nicht ebenfalls als Unruhestifter zu gelten. Die Wärter, für die die Gefangenen meist nicht bedeutender waren als die Schafherden, die mit den Schiffen kamen und durch die Stadt getrieben wurden, betrachteten ihn als Großmaul und Störenfried, dem man das richtige Verhalten notfalls mit Gewalt einbläuen musste.
Sein schlechter Ruf war Angus’ Fluchtplänen nicht gerade zuträglich, und er beschloss irgendwann, sein Verhalten zu ändern. Sicher, es fiel ihm nach wie vor schwer, die Gewalt, die endlosen Auspeitschungen und den Anblick der geschundenen Körper zu ertragen, die von der Arbeit in den Kohlegruben und Steinbrüchen geschwächt waren, und dennoch den Mund zu halten. Noch unerträglicher schien das Wissen, dass von den
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