Insel der Nyx: Insel der Nyx, Die Prophezeiung der Götter
zu ihnen heranschwamm. Er schob seine Nase aus den Wellen, schaute aus seinen winzigen Äuglein zu ihnen auf und stieß sein Schnattern aus.
Eleni hielt den Atem an. Sie wusste, was der Delfin ihnen mitteilen wollte! Er sprach von der Insel und davon, dass er von dort kam.
Eleni wollte mehr wissen. Woher die Insel gekommen war, wie sie so plötzlich hier auftauchen konnte? Ohne zu überlegen, ließ sie die Laute zwischen Gaumen und Zunge hindurchflitzen.
»Unterhältst du dich etwa mit ihm?«, hauchte Philine.
Eleni konnte ihr nicht antworten. Sie musste lauschen, um keinen Laut des Delfines zu verpassen.
Doch das Tier schwamm noch ein paarmal hin und her, ehe es mit einem Knacksen antwortete.
Seine Sprache war anders strukturiert als die Sprache von Menschen. Nach Silben und Worten suchte Eleni vergeblich, aber dafür hinterließen die Laute eine Abfolge von Bildern in ihrem Kopf und eine Stimmung, die offenbar dazugehörte:Der Delfin schien irritiert zu sein, weil sich das Meer und die Luft in dieser Nacht verändert hatten. Die Korallenriffe waren kleiner geworden, fremde Fische schwammen umher und der schwere Geruch von warmem Wasser war aus der Luft verschwunden. Außerdem hatte es dieses Land hier zuvor nicht gegeben.
Eleni brauchte einen Moment, um zu begreifen, wovon er sprach: Offenbar war er zusammen mit der Insel von einem anderen Ort gekommen. Aber wo dieser Ort lag, konnte sie aus seiner Antwort nicht herauslesen.
Eleni musste schließlich grinsen. Auch aus seiner Sicht war eine Insel aus dem Meer aufgetaucht: Kreta.
Doch dann fiel ihr etwas auf, das nicht zusammenpasste: Sie hatte die Delfine schon einmal gesehen, an dem Nachmittag, als sie um die Klippen herumgeschwommen war, bevor die Insel aufgetaucht war. Noch ehe Eleni darüber nachgedacht hatte, fragte sie den Delfin in seiner sonderbaren Sprache.
Der Delfin schwamm in einem Halbkreis um ihre Felsen herum und zeigte einen seiner Saltos. Und schließlich gab er seine Antwort: Sonderbare Dinge waren in den letzten Tagen geschehen. Sie hatten sich immer wieder im Meer verirrt. Aber vor allem hatten sie Eleni gehört und nach ihr gesucht.
Eleni schluckte. Sie wusste nicht, was sie dazu sagen sollte. Aber das Schnattern des Delfins ließ sie auch gar nicht zu Wort kommen – er bot ihnen an, sie zu der Insel mitzunehmen.
»Was sagt er?«, flüsterte Philine.
Eleni hockte sich an den Rand des Felsens und lauschte dem Delfinknacksen. Schließlich räusperte sie sich. »Er, na ja ... Er sagt, er könnte uns mit zur Insel nehmen ... Damit wir selbst eine Lösung für all unsere Rätsel finden.«
Philine stieß einen überraschten Laut aus. »Das hat er gesagt?« Ihre Stimme wurde heiser. »Bist du sicher, dass er ein Tier ist?«
Eleni schauderte. Ein zweiter Delfin schwamm so nah zu ihnen heran, dass Eleni ihn streicheln konnte. Er fühlte sich glatt an, weicher als alles, was sie je gefühlt hatte. Auch er schnatterte und bot ihr an, sie mitzunehmen.
Ohne darüber nachzudenken, sprang Eleni zu ihm ins Wasser. Ihre Beine streiften seinen glatten Körper, ihre Hände erwischten seine Rückenflosse – und plötzlich wurde sie mitgerissen. Die Bewegung warf sie bäuchlings auf den Rücken des Delfins. In Sekundenschnelle zog er sein Tempo an und raste mit ihr durch die Wellen.
»Eleni!« Philine schrie ihr nach. Doch ihre Stimme klang bereits weit entfernt.
Sie wollte Philine nicht zurücklassen! Wenn sie schon mit den Delfinen schwamm, dann nur zusammen.
Eleni ließ die Rückenflosse los. Der silbrig schimmernde Leib glitt unter ihr hindurch. Für eine Sekunde wurde sie in einem Wasserstrudel nach vorne gerissen, ehe sie die Strömung wahrnahm, die sie hinaus auf das offene Meer zog. Eleni wendete mit hastigen Bewegungen. Für einen Moment verlor sie ihre Ruhe, während die Strömung sie einfach mitriss, in Richtung der Insel ...
Der schmale Strand und Philines Gestalt waren schon so weit entfernt, dass Eleni die Augen zusammenkneifen musste, um sie hinter dem Glitzern des Wassers überhaupt erkennen zu können. Aber so kräftig sie auch schwamm, sie trieb immer weiter vom Land fort.
Die Strömung war hier draußen stärker als neben denKlippen, viel stärker. Selbst ihre Kräfte schienen nicht mehr auszureichen.
Eleni geriet in Panik. Das Knacksen löste sich erneut aus ihrer Kehle und dieses Mal war es ein Hilferuf.
Plötzlich war der Delfin wieder neben ihr. Aus den Augenwinkeln erkannte sie, wie er mit entspannten Bewegungen genau
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