Insel der Nyx: Insel der Nyx, Die Prophezeiung der Götter
ihren Händen fest. »Euer Nachtblut riecht gut.« Sie streckte die Nase in die Luft. »Bis weithin ist es zu riechen.«
»Ihr gehört auf diese Insel!«, rief eine andere, die aussah wie eine Asiatin. »Sie ist euer Zuhause. Wollt ihr nicht bleiben?«
Eleni erstarrte. Ihr Zuhause? Sie sollten hier bleiben?
Das Lächeln der Meerjungfrauen erstarb, als hätte jemand ein unsichtbares Kommando gegeben. Das Peitschen ihrer Fischschwänze formte sich zu einem Gleichtakt: eins – zwei – drei. Beim vierten Schlag sprangen sie von den Felsen herab und tauchten ins Wasser.
Philine schrie auf! Das Blut rauschte durch Elenis Körper. Sie erkannte die Lücke zwischen den Nixen sofort. Das Tor ins offene Meer! Ihr einziger Ausweg!
Eleni tauchte und schwamm wie ein Delfin, so rasend schnell wie nie zuvor. Sie war schon lange zwischen den Nixen hindurch, als ihr auffiel, dass ihre Freundin hinter ihr zurückgeblieben war.
Für einen winzigen Moment drehte sie sich um – und erkannte, dass die Nixen Philine umzingelt hatten.
»Nein!«, rief Eleni ihnen verzweifelt zu. Was sollte sie jetzt tun? Umkehren und sich ebenfalls einfangen lassen? Nein! Sie musste frei bleiben, wenn sie Philine helfen wollte. Ihr Herz raste, während sie zu einem der Backenzahnfelsen schwamm und sich hinaufzog. Von hier aus konnte sie genau sehen, waspassierte, wie die Nixen um Philine herumschwammen und sie begutachteten. Eine rothaarige Nixe strich über Philines Gesicht. »Sie hat so helle Haut«, säuselte sie.
»Und zugleich so dunkle Haare.« Eine dunkelhäutige Nixe griff nach Philines Haaren und schnupperte daran. »Sie versteckt ihren Körper vor der Sonne. Fürchtet sie sich davor? Will sie etwas vor uns verbergen?«
Ein heftiges Kribbeln zog über Elenis Hinterkopf und sträubte ihre Nackenhaare.
»Meine Haut ist so empfindlich«, piepste Philine. »Sie wird rot, wenn ich sie nicht schütze. Ich verstecke nichts vor euch. Da ist nichts zu verstecken.«
»Ist sie sicher?« Die rothaarige Nixe legte scheinheilig den Kopf zur Seite. »Wir riechen es doch! Es ist nur ein hauchzarter Duft, er macht sich ganz klein unter dem Nachtblut. Aber der Nase einer Nymphe entgeht nichts!«
»Graublut!« Die asiatische Nixe würgte das Wort hervor. »Giftiges, tödliches Graublut!«
Graublut? Nachtblut? Elenis Gedanken schwirrten durcheinander. Was meinten sie damit?
Die Nixen schlossen einen engen Kreis um Philine. Ihre Fischschwänze ließen sie immer schneller in die Runde zischen, bis sich ein Strudel bildete, der Philine mit sich nach unten zog.
Philine schrie und ruderte mit den Armen, die Meerjungfrauen lachten hämisch, und Eleni konnte die Panik nicht länger zurückhalten. Ihre Augen füllten sich mit Tränen. Sie musste ihrer Freundin helfen! Aber wie?
Sie musste endlich nach Klicker rufen! Die Delfine mussten kommen, um sie zu retten!
Die rothaarige Nixe kicherte. Sie schwamm mit den anderen in die Runde und sprach zu Philine, die im Strudel um ihr Leben kämpfte: »Willst du deine Freunde nicht rufen, damit sie dir helfen?«
Schwarze Sterne tanzten vor Elenis Augen, ihre Gedanken rasten. Von welchen Freunden sprach die Nixe? Von den Delfinen? Oder von ihr?
Plötzlich wurde Eleni klar, was für eine Verräterin sie war. Die Nixen waren drauf und dran, Philine zu ertränken, und Eleni wagte es nicht einmal, ihrer Freundin zu helfen. Weil sie sich davor fürchtete, selbst getötet zu werden. Mit einem Schlag ergab alles einen Sinn! Weil dies hier passieren würde, hatte sie am Anfang geglaubt, dass sie Philine in Gefahr bringen würde. Ihre eigene Prophezeiung erfüllte sich hier und jetzt und es lag in ihrer Hand, etwas daran zu ändern.
Klicker hatte ihr verboten, auf der Insel Delfinsprache zu sprechen. Aber sie musste die Delfine rufen, auch wenn dadurch die Nixen auf sie aufmerksam wurden!
Eleni öffnete den Mund und wollte gerade das Klickern aus ihrem Rachen flattern lassen, als plötzlich ein breiter Schatten über der Bucht kreiste. Sie riss den Kopf nach oben und entdeckte den Pegasus, der über sie hinwegfegte. Der Junge saß noch auf seinem Rücken, aber mitten über der Bucht sprang er ab. Kopfüber stürzte er sich nach unten und tauchte geschmeidig ins Meer ein. Dort, wo die Wellen ihn verschluckten, kamen sprudelnde Blasen herauf – doch gleich darauf erkannte sie seine hellgrüne Silhouette unter Wasser. Unter der Oberfläche schwamm er weiter und zerteilte das Wasser in rasendem Tempo. Sekunden später stob er
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