Insel der Nyx: Insel der Nyx, Die Prophezeiung der Götter
hatte auf dem Weg keine Delfinsprache gesprochen!
Eleni konnte den Gedanken nicht zu Ende bringen. Im Dschungel bewegte sich etwas! Etwas Dunkles, Großes schob sich zwischen dem Grün hervor. Zuerst tauchte der schwarze Pferdekopf aus dem Dschungel auf, gleich darauf der graziöse Körper des Pegasus. Die gewaltigen Flügel lagen zusammengefaltet auf seinem Rücken. Sie zuckten kurz, als das Tier im Schatten des Palmwaldes stehen blieb und mit einem Schnauben zu ihnen herübersah.
Eleni musste lächeln. Ein Pegasus, tatsächlich! Ein schwarzer Pegasus! Waren diese Tiere nicht eigentlich weiß? Oder wurden sie nur in den Kindergeschichten weiß dargestellt?
Hinter dem Pegasus bewegte sich etwas! Eine menschliche Gestalt kam aus dem Wald hervor und blieb neben dem geflügelten Pferd stehen.
In ihrem Bauch fing es an zu kribbeln. Kein Zweifel, es war der Junge! Seine Haut war karamellbraun und seine schwarzenHaare standen strubbelig von seinem Kopf ab. Er trug einen langen zierlichen Bogen über seiner Schulter und einen Köcher auf seinem Rücken. Doch trotz der Waffen hatte Eleni das Gefühl, dass er ihnen nichts tun wollte. Schließlich hätte er sie aus der Tarnung des Dschungels ganz leicht mit Pfeil und Bogen angreifen können, wenn er es gewollt hätte.
Während sie näher schwammen, starrte Eleni auf seine blaue Tätowierung. Es war tatsächlich eine Schlange, die sich um seine nackten Beine wand. Ihr Schlangenkopf ruhte auf seinem Oberschenkel. Während der Junge regungslos dastand, sah es aus, als würde sie schlafen. Doch plötzlich hob die Schlange ihren Kopf, drehte ihn in Elenis Richtung und zischelte ihr entgegen.
Eleni gab einen erschrockenen Laut von sich. Wie konnte sich die Schlange bewegen? Es war eine Tätowierung! Oder nicht?
Der Junge blickte ihnen mit undurchdringlichem Blick entgegen, als sie das flache Wasser erreichten und mit langsamen Schritten an Land wateten.
Philine blieb skeptisch in der Brandung des Meeres stehen. Aber Eleni ging weiter auf den Jungen zu. Je näher sie kam, desto deutlicher erkannte sie seine Gesichtszüge: Er hatte schmale Wangen, gebräunte Haut und schwarze mandelförmige Augen, deren äußere Winkel schräg nach oben wiesen.
Vor allem diese Augen musste sie immer wieder ansehen: Sie waren umrahmt von dunklen Wimpern und dichten Augenbrauen und verliehen seinem Gesicht etwas Exotisches. Er sah aus, als würde er zu einem versteckten Dschungelvolk gehören. Auch der seltsame Lederrock, den er um seine Hüftentrug, machte nicht den Eindruck, als würde er aus der Zivilisation stammen.
Je näher Eleni ihm kam, desto dichter zogen sich seine Augenbrauen zusammen, seine Lippen pressten sich zu einer harten Linie aufeinander und seine Finger strichen über das Holz des Bogens.
Eleni blieb stehen. Wie begrüßte man einen jungen Krieger aus einem Dschungelvolk? Oder einen jungen Jäger, oder was auch immer er sein mochte? Sie konnte wohl kaum »Hallo!« zu ihm sagen oder »Hi!« oder »Guten Tag!«.
Eleni legte schließlich die Hand an ihre Brust und deutete eine knappe Verbeugung an. »Wir kommen in friedlicher Absicht!«
»Verschwindet!«, fuhr der Junge sie an.
Eleni zuckte zurück. Plötzlich sah er doch so aus, als würde er jeden Moment einen seiner Pfeile aus dem Köcher ziehen.
Was sollte sie jetzt tun? Sie musste ihm erklären, warum sie hier waren! Wenigstens schien er ihre Worte zu verstehen. »Diese Insel hier, auf der du lebst, ist bei uns aus dem Meer aufgetaucht. Aber nur meine Freundin und ich können sie sehen ...« Eleni hielt inne. Das war Quatsch! Was wollte sie überhaupt erzählen? Womit sollte sie ihn überzeugen? Und wovon wollte sie ihn überzeugen? Schließlich fiel es ihr wieder ein: Sie wollte etwas herausfinden!
Hastig sprach sie weiter: »Seitdem passieren andauernd Dinge, die wir uns nicht erklären können. Und dann sind Delfine von deiner Insel gekommen, die uns hierher gebracht haben – und in der letzten Nacht sind schwarze Schattengestalten zu uns herübergeflogen und haben die Menschenaus unserem Dorf verfolgt und sogar einen von ihnen getötet. Jetzt wollen wir heraus...«
»Schweig!« Die Stimme des Jungen durchschnitt ihren letzten Satz. Die Schlange an seinen Beinen zuckte und zischelte. Plötzlich löste er sich aus seiner stillen Haltung und kam die letzten Schritte auf Eleni zu. Er war nicht viel größer als sie, doch er schien älter zu sein als die Jungen in ihrer Klasse. Auch seine Stimme klang schon so tief
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