Insel der Rebellen
aussah.
Possum war abgelenkt, als er auf »Favoriten« klickte. So kam es, dass er versehentlich Trooper Truth aufrief, statt Captain Bonny zu wählen. Überrascht starrte er auf Trooper Truths neuen Artikel.
»Na, was hältst du davon?«, flüsterte Possum aufgeregt in Popeyes Richtung, die auf dem Bett schnarchte. »Zwei am selben Morgen! Mann, dieser Trooper Truth führt doch was im Schilde.«
Ein kurzer Exkurs von Trooper Trut h Die Einwohner von Tangier Island sind ein verschwiegenes und empfindliches Völkchen, das wenig über die eigene Herkunft weiß. Kein Wunder, denn fängt man erst einmal an, Legenden zu erfinden und Desinformationen zu verbreiten, vergisst man schnell, was tatsächlich geschehen ist, und glaubt am Ende an die eigenen Phantastereien.
Im Verlauf der Jahrhunderte haben die Menschen auf Tangier ihre Piratenvergangenheit totgeschwiegen und sich lieber an ihre selbst gestrickten Legenden gehalten. Eines Nachmittags besuchte ich die Insel und sprach dort mit einer Einwohnerin, die bei Spanky's vorbeigeschaut hatte, weil in ihrem Souvenirladen nichts los war.
»Ich nehme an, die vielen Touristen, die ihre Insel besuchen, gehen Ihnen ganz schön auf die Nerven«, bemerkte ich zu der Frau, deren Name Thelma Parks ist.
»Däs kümmeret mi nöd, wann sä mi nur in Ruh' lasset«, erwiderte sie, wobei sie mich argwöhnisch anschaute.
»Und das tun sie nicht, nehme ich an.«
»Nei, das tuet sä nöd. Letscht wär welche do, wo mei Lade mit so än Videodings uffgenomme hätt ond mi au, abä däs wullt i nöd.«
»Haben Sie ihnen denn nicht gesagt, dass Sie nicht gefilmt werden möchten?«
»Nei.«
Nun erzählte Thelma mir, sie verlange jetzt einen Quarter für alle Aufnahmen, während sie an der Kass e stehe. Dank der zusätzlichen Einnahmen falle es ihr leichter, die Touristenhorden zu ertragen, die ihren Souvenirladen bestaunten, als sei er eine exotische Sehenswürdigkeit, was Thelma, wie sie mir anvertraute, überhaupt nicht verstehen kann. Nichts von dem ganzen Plastikplunder - den Leuchttürmen, Krebsen, Krebskörben, Hummern, Fischen, Ruderbooten und so fort - sei Handarbeit oder auch nur in Amerika hergestellt. Tatsächlich, so fügte sie noch hinzu, seien Hummer sehr selten in der Chesapeake Bay und die meisten Inselbewohner hätten noch nie einen gesehen, außer im Fernsehen oder in den Anzeigen für das Fischrestaurant, die regelmäßig im Virginia Pilot erscheinen.
Ich verließ Spanky's und setzte meinen Spaziergang fort. Als ich zur Krankenstation kam, ging ich hinein, entdeckte aber weder einen Zahnarzt noch eine Schwester oder einen anderen Arzt - nur einen schlaksigen jungen Mann mit blondem Schopf. Er saß im Zahnarztstuhl und starrte vor sich hin, so versunken in seine Träume, dass er mich überhaupt nicht zur Kenntnis nahm. Ich vermutete, er sei ein Patient und der Zahnarzt würde jeden Moment zurückkommen. Da wusste ich natürlich noch nicht, dass der Zahnarzt in Wahrheit gefangen gehalten wurde, denn weder die Geiselnahme noch die Androhung eines Bürgerkrieges waren zu diesem Zeitpunkt in der Öffentlichkeit bekannt.
»Hallo?«, sagte ich höflich.
Die Augen des Jungen starrten ins Leere, und er reagierte nicht.
»Ich habe mich gefragt, ob es hier vielleicht medizinisches Personal gibt, mit dem ich ein paar Worte reden könnte«, sagte ich. »Ich arbeite an einer Geschichte über den Ursprung unserer Nation und ihren gegenwärtigen Zustand und ich denke, dass Tangier Islan d der Schlüssel zu allem ist.«
»Dä Schlussl isch in mei Tasch.« Plötzlich blinzelte er und hielt schützend eine Hand über seine Tasche. Als er feststellte, dass ich ein Fremder war, erschrak er und sprang vom Stuhl auf.
»Wos machscht hi? I han denkt, i hätt dä Tür verschlosse!« Er eilte zur Tür und schob den Riegel vor.
Ich vernahm ein gedämpftes Geräusch aus dem hinteren Teil des Gebäudes und das Scharren eines Stuhls auf dem Boden.
»Do isch än Hund drin.« Der junge Mann deutete vage in die Richtung, aus der das Geräusch gekommen war.
»Was ist das für ein Scharren?«, wunderte ich mich. »Ist er angebunden?«
»Jo.«
Der Stuhl scharrte noch ein wenig lauter.
»Da drinnen muss sich das Tier doch ängstigen«, sagte ich. Die Vorstellung, dass man einen Hund in dem engen, stickigen Hinterzimmer einer Krankenstation an einen Stuhl gebunden hatte, gefiel mir ganz und gar nicht. »Warum lassen wir ihn nicht raus, damit er ein bisschen Luft kriegt und Gesellschaft
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