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Insel der Sehnsucht: Roman (German Edition)

Insel der Sehnsucht: Roman (German Edition)

Titel: Insel der Sehnsucht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Roberts
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geschwungen oberhalb ihres Kopfes ruhend.
    Aber ihre Augen waren geöffnet, ihr Blick starr. Die Augen einer Puppe. Tote Augen.
    Einen Moment lang war sie wieder hilflos in ihrem Alptraum gefangen, sich selbst anstarrend und unfähig, den Weg hinaus aus dem Dunkel zu finden.
    Aber selbst in ihrem Entsetzen erkannte sie die Unterschiede. Die Frau auf dem Foto hatte wallendes Haar, das ihr Gesicht wie ein Fächer umgab. Und das Gesicht war weicher, der Körper reifer als ihr eigener.
    »Mama?« flüsterte sie und griff das Bild mit beiden Händen. »Mama?«
    »Was ist los, Jo?« Erschüttert hörte Bobby seine eigene Stimme zittern und brechen, als er in Jos leere Augen blickte. »Was, zum Teufel, ist los?«
    »Wo sind ihre Kleider?« Jo neigte den Kopf und begann, ihren Körper hin und her zu wiegen. Ihr Kopf war voller
Geräusche, voller tosender, donnernder Geräusche. »Wo ist sie?«
    »Nimm’s dir nicht so zu Herzen.« Bobby machte einen Schritt auf sie zu und bückte sich, um ihr das Bild aus den Händen zu nehmen.
    Ihr Kopf fuhr herum. »Bleib stehen.« Das Blut schoß ihr wieder in die Wangen und färbte sie hochrot. In ihren Augen flakkerte ein seltsamer Ausdruck. »Faß mich nicht an. Faß sie nicht an.«
    Erschreckt und verblüfft richtete er sich wieder auf und hob beschwichtigend die Hände. »Okay, okay, Jo.«
    »Du darfst sie nicht anfassen.« Sie war kalt, so kalt. Sie schaute wieder runter auf das Foto. Es war Annabelle. Jung, unwirklich schön und so kalt wie der Tod. »Sie hätte uns nicht verlassen dürfen. Sie hätte nicht weggehen dürfen. Warum ist sie gegangen?«
    »Vielleicht konnte sie nicht anders«, sagte Bobby leise.
    »Nein, sie hat zu uns gehört. Wir haben sie gebraucht, aber sie hat uns nicht gewollt. Sie ist so schön.« Tränen rollten über Jos Wangen, und das Foto bebte in ihrer Hand. »Sie ist so schön. Wie eine Märchenprinzessin. Ich habe sie mir immer als Prinzessin vorgestellt. Sie hat uns verlassen. Sie hat uns verlassen und ist weggegangen. Jetzt ist sie tot.«
    Ihr Blick verschwamm, ihre Haut wurde heiß. Sie drückte das Foto an ihre Brust, krümmte sich zusammen und weinte.
    »Komm, Jo.« Behutsam berührte Bobby sie. »Komm mit mir. Du brauchst jetzt Hilfe.«
    »Ich bin so müde«, murmelte sie und ließ sich von ihm aufheben wie ein Kind. »Ich will zurück nach Hause.«
    »Okay, mach einfach die Augen zu.«
    Mit dem Bild nach unten segelte das Foto sanft zu Boden, auf all die anderen Gesichter. Auf der Rückseite waren große Druckbuchstaben zu sehen.
     
    TOD EINES ENGELS
     
    Ihr letzter Gedanke, bevor die Dunkelheit sie umfing, war Sanctuary.

Zwei
    Bei Tagesanbruch hing wie ein schwindender Traum noch Dunst in der Luft. Lichtstrahlen durchbrachen den Baldachin des Eichenlaubs und ließen den Tau glitzern. Ammern und Teichrohrsänger erwachten in ihren Nestern im dichten Geäst und sangen ihre Morgenlieder. Ein Kardinal schoß wie ein roter Blitz lautlos zwischen den Bäumen hindurch.
    Er liebte diese Tageszeit. In der Morgendämmerung forderte noch niemand seine Zeit oder Energie, und er konnte allein sein, konnte seinen Gedanken nachhängen.
    Brian Hathaway hatte noch nirgendwo anders als auf Desire gelebt. Und er hatte nie etwas anderes gewollt. Er war auf dem Festland gewesen und hatte Großstädte besucht. Einmal hatte er sogar spontan Urlaub in Mexiko gemacht, so daß man sagen konnte, er war schon im Ausland gewesen.
    Aber Desire war, mit all seinen Vorzügen und Nachteilen, seine Heimat. In einer stürmischen Septembernacht vor dreißig Jahren war er hier geboren worden. In dem mächtigen eichenen Himmelbett, in dem er heute schlief, hatten ihn sein Vater und eine alte, Maiskolbenpfeife rauchende Schwarze, deren Eltern Haussklaven bei seinen Vorfahren gewesen waren, ans Licht der Welt geholt.
    Miss Effie hieß die alte Frau, und als er noch ein kleiner Junge gewesen war, hatte sie ihm oft die Geschichte seiner Geburt erzählt. Wie der Wind geheult und das Meer getost hatte, und wie seine Mutter in dem großen Haus, in dem mächtigen Bett niedergekommen war und ihn wie eine Kriegerin lachend aus ihrem Leib katapultiert hatte, direkt in die Arme seines ungeduldig wartenden Vaters.
    Es war eine schöne Geschichte. Früher hatte sich Brian vorstellen können, wie seine Mutter gelacht und sein Vater gespannt darauf gewartet hatte, ihn in die Arme zu nehmen.
    Jetzt war seine Mutter schon lange fort und die alte Miss
Effie schon lange tot. Es war lange, lange her,

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