Insel der Träumer
Böse weiß, dass auch du die Wahrheit kennst. Du wirst keinen Frieden mehr finden, denn wenn es so wäre, wenn du wieder den Trugbildern erliegen würdest, gäbe es keine Hoffnung für die Gestrandeten mehr.«
Mythor schauderte. Er fragte sich, wie weit er den Worten des Magiers trauen durfte. Sicher, er war selbst davon überzeugt, dass hier vieles nicht stimmte, doch wer sagte ihm, dass Rachamon nicht schon ein Werkzeug dieser Macht war, von der er sprach?
»Sobald du die Höhle wieder verlässt, wird es versuchen, dich zu täuschen. Doch die Insel ist kein Paradies, sie ist ein düsterer Ort des Todes! Du wirst lernen müssen, gegen die Trugbilder zu kämpfen, Mythor!«
»Was geschieht mit den Menschen, die auf die Traumreise gehen, Rachamon? Was weißt du über Nilomburs Schicksal?«
Rachamon zuckte beim Klang dieses Namens zusammen. Seine Augen weiteten sich.
»Du bist ihm gefolgt!« sagte Mythor hart.
»Nein, nein! Ich sah ihn, als ich nach einem Menschen suchte, den ich in die Höhle locken konnte, um ihm die Augen zu öffnen. Aber er war… Es war bereits zu spät! Er sah mich nicht und hörte nicht! Er war nicht mehr er selbst.« Der Magier atmete tief ein. Ruhiger geworden, fuhr er fort: »Sie sind tot, Mythor. Sie folgten dem Locken des Bösen, das Nahrung sucht, immer neue Nahrung.«
»Dann sag mir, wo diese dämonische Macht steckt!« forderte Mythor.
»Ich weiß es doch nicht! Sie ist überall! Nur wer ihren Ruf vernimmt, weiß, wohin er zu gehen hat!«
Rachamon schrie die Worte, und sie hallten schaurig von den feuchten Wänden wider. »Geh jetzt! Geh und sage den Menschen, dass es alles, was sie sehen, überhaupt nicht gibt! Öffne ihnen die Augen!«
Mythor stand auf. Er zögerte. »Warum kommst du nicht mit mir?«
Rachamon starrte ihn entsetzt an. »Das… kann ich nicht. Ich bin schwach geworden. Schon der Ausflug vorhin brachte mich an den Rand des Zusammenbruchs. Ich sehe den Zweifel in deinen Augen, Mythor. So lasse dir einen magischen Schutz geben, aber wisse, dass er nur für kurze Zeit anhalten kann. Diese Zeit aber wird reichen, um auch dich erkennen zu lassen, wo wir gestrandet sind.«
Rachamon kam noch näher und flüsterte: »Du musst diese Macht finden und sie vernichten, Mythor. Ich weiß nun, wer du bist. Ich war blind und überheblich. Jejed hatte recht, als er das sagte. Aber vielleicht kann ich etwas wiedergutmachen. Nur wer die Kraft des Lichtes selbst in sich trägt, vermag einen Schatten wie den zu besiegen, der dich verfolgte. Aber hüte dich! Der Kampf, den du führen wirst, ist ungleich härter! Jeder wird gegen dich sein, der nicht die Wahrheit erkennt! Und dies zu verhindern wird das ganze Trachten des Bösen sein. Du wirst Feinde haben, wohin du dich auch wendest!«
Lange blickten die ungleichen Männer sich in die Augen. Dann gab Mythor sich einen Ruck. »Gib mir den magischen Schutz, Rachamon«, sagte er tonlos.
Als der Magier damit begann, seine Rituale zu vollziehen, fragte Mythor: »Du sagtest, du hättest den Schatten gesehen… oder gefühlt. Ich selbst konnte ihn nicht besiegen, aber der, der mich vor ihm bewahrte, nannte ihn einen der Deddeth. Was weißt du über die Deddeth?«
Rachamon wich mit einem erstickten Laut vor ihm zurück, öffnete den Mund und streckte abwehrend die Hände von sich.
Mythor schalt sich einen Narren der Frage wegen. Es bedurfte all seiner Redegewandtheit, den Magier wieder zu beruhigen. Doch von nun an schwieg Rachamon eisern. Er versah Mythor mit dem magischen Schutz und machte ihm den Weg aus der Höhle heraus frei.
Mythor nahm sich fest vor, ihn später noch einmal zu befragen, denn das panische Entsetzen des Magiers zeigte nur zu deutlich, dass er schon einmal von den Deddeth gehört hatte.
Falls es ein Später gab…
An Rachamon vorbei verließ Mythor die Höhle. Als er über die letzten Fetische und Banner hinwegstieg, war es ihm, als packe ihn etwas mit der Gewalt eines Orkans, als versinke er in einem endlos tiefen Ozean, als versuche etwas, sich in seinen Geist zu schieben. Es rüttelte an ihm, dass er schwankte und sich mit einer Hand gegen den Fels stützen musste. Aber es prallte von ihm ab. Mythor fand sein Gleichgewicht wieder, kämpfte gegen das Fremde an und hatte sich bald ausreichend unter Kontrolle, um den Aufstieg zu wagen. Doch das Grauen schlich sich in sein Herz, als er auch unter dem von Rachamon verabreichten Schutz nun spürte, wie ungeheuerlich diese Macht war, die irgendwo auf der Insel
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