Insel der Träumer
kahler Fels war. Für Augenblicke sah er grüne Flächen sich ausbreiten, und hässliche graue Käfer verwandelten sich in wunderschöne Schmetterlinge.
Aber wisse, dass der magische Schutz nur für kurze Zeit anhalten kann!
Er raffte sich auf und lief weiter. Das Blut hämmerte in seinen Schläfen, und immer häufiger sah er nun wieder Teile der Alptraumlandschaft sich in paradiesische Gestalt hüllen. Er wusste, dass der magische Schutz nachließ. Nur wenn er sich ganz fest einredete, dass er Trugbilder sah, verschwand der Zauber. Mythor nahm den Kampf auf. Er würde nicht ständig gegen die Trugbilder ankämpfen können, ohne dabei den Verstand zu verlieren. Doch bevor er sich Ruhe gönnen durfte, musste er die Menschen sehen, die Hütten und alles, was sie für ihr eigen hielten.
Er hörte sie schon aus der Ferne lachen und singen. Das Fest des Vollen Mondes hatte also bereits begonnen. War es wirklich Wein, den sie tranken, oder ein Gift, das den Verstand lähmte und sie aufnahmebereiter für das machte, was ihnen vorgegaukelt wurde?
Mythor war am Rand der Erschöpfung, als er das Dorf endlich erreichte. Kaum hatte er mehr die Kraft, einen Fuß vor den anderen zu setzen. An einen Baumstamm gelehnt, die Haare schweißverklebt, blieb er stehen und atmete heftig. Für einen Moment schloss er die Augen, und der grässliche Gestank, der von den Hütten her in seine Nase drang, verwandelte sich in betörenden Duft.
Von den Hütten?
Er riss die Augen auf. Er sah die Männer und Mädchen um Feuer tanzen, trinken und Spieße über der Glut drehen. Es roch nach knusprigem Braten. Die Sterne sahen auf ein Bild von betörender Anmut herab. Leicht wogten die Wipfel der Bäume im Wind hin und her. Die Blätter raschelten, und große Blüten öffneten ihre Kelche für Mythor. Grillen zirpten, und leuchtende Käfer tanzten zwischen herrlichen Sträuchern. Der Wind strich durchs Gras auf der anderen Seite des Dorfes und sang eine wunderbare Melodie.
Aber das war nicht wirklich!
Du musst lernen, gegen die Trugbilder zu kämpfen, Mythor!
Der Sohn des Kometen lehnte mit dem Rücken gegen den Stamm am Rand des Dorfplatzes, schweißgebadet, erschöpft und ausgemergelt. Sein Magen rumorte. Er hatte Hunger und Durst. Dort, nur ein, zwei Steinwürfe vor ihm, drehten sich köstliche Braten über den Feuern, und die Mädchen warteten nur darauf, ihm den Wein in den offenen Mund fließen zu lassen. Zwei betörend schöne Geschöpfe kamen auf ihn zu, mit Früchten in ihren vorgestreckten Händen, mit Wein.
Komm! schienen ihre Augen zu locken. Das Verlangen erwachte in ihm, ließ ihn einige Schritte auf die beiden Grazien zumachen. Er stolperte und…
Sie waren fort. Brennender Schmerz durchzog Mythors Körper und riss die falsche Wirklichkeit vor seinen Augen auf. Es gab keine Mädchen mehr, die ihre Körper anboten und die Männer dort bei den Feuern verwöhnten. Nur einige Weiber mit verfilztem Haar und spröder, schmutziger Haut lagen in den Armen der Schiffbrüchigen. Aber es waren nur wenige. Alle anderen waren verschwunden, und die vom Wein berauschten Männer hielten nichts als Luft in den Armen.
Es gab keine Hütten. Dort, wo das saftige Gras gestanden hatte, waren nur Unkraut und mannshohe Distelgewächse.
Mythor wollte schreien, aber kein Laut kam über seine Lippen. Er wollte rennen, die Feuer austreten und die Krüge umstoßen, doch seine Beine versagten ihm den Dienst. Schon schob sich wieder das andere Bild vor seine Augen. Er sah die Mädchen wieder. Sie knieten vor ihm, und als er seine Hand nach ihnen ausstreckte, fühlte sie weiches, festes Fleisch.
Grelle Punkte tanzten plötzlich vor seinen Augen. Dann breitete sich Schwärze um ihn herum aus. Das letzte, was er sah, bevor er bewusstlos zusammenbrach, waren die von Feuern beschienenen Hütten der Schiffbrüchigen.
*
Steinmann Sadagar seufzte und schüttelte den Kopf. Seine Hand ruhte auf Mythors Brust, die sich regelmäßig hob und senkte. Chrandor saß neben ihm und verfolgte jede seiner Bewegungen, sagte aber nichts. Er schlürfte seinen Wein in sich hinein und machte eine beleidigte Miene. Außer dem Steinmann und seinem neuen Freund waren nur Golad und Farina noch in der Hütte, während draußen im Schein der Feuer gelärmt und getanzt wurde. Das Fest des Vollen Mondes war in vollem Gang. Stunden schon wurde geschmaust, getrunken und geliebt. Dabei war noch nicht wirklich Vollmond. Die Menschen auf Sarmara feierten in der Nacht vorher, solange sie
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