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Insel der Träumer

Insel der Träumer

Titel: Insel der Träumer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Hoffmann
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suchte nach Spuren. Der weiche Boden war an dieser Stelle platt getreten, als habe sich jemand lange hier aufgehalten und viel bewegt. Aber das Moos hatte sich noch nicht völlig aufgerichtet, und Mythor sah zu seinem Erstaunen, dass zwei Fußspuren von hier aus in zwei verschiedene Richtungen wiesen, wobei die eine frischer war als die andere.
    »Wenn also Nilombur als erster an diesem Ort war«, murmelte der Sohn des Kometen, »und der andere ihm folgte, dann müssen die schwächeren Spuren von Nilombur sein.«
    Mythor erhob sich und blickte sich unsicher um. Wurde auch er schon beobachtet?
    Er gab sich einen Ruck. Es ging um Nilombur. Er hatte nicht vergessen, dass dieser es gewesen war, der ihm das Leben rettete. Er folgte Nilomburs Spuren, bis er zu den Klippen kam, wo sie abrupt endeten. Vielleicht hatte er sich hier in die Tiefe gestürzt? Mythor ging weiter bis zum Rand der Steilfelsen und blickte hinab. Tief unter ihm spritzte die Gischt in die Höhe. Wellen schlugen gegen den Fels und liefen zurück, bis sich wieder kleinere Strudel bildeten, die das Wasser in die Höhe wirbelten. Das ständige Rauschen und Mahlen des eigentlichen Strudels nahm er kaum noch bewusst wahr.
    Falls Nilombur hier sein Ende gefunden hatte, war jede weitere Suche sinnlos. Also zur Bucht? Oder nach Norden?
    Noch während Mythor unschlüssig dastand, hörte er ein Geräusch hinter sich in den Büschen. Er fuhr herum und sah, wie Äste zurückschwangen. Mit einem Aufschrei rannte er auf die Stelle zu, doch da war nichts mehr. Die Büsche bildeten einen schmalen Gürtel zwischen den Klippen und einer großen Lichtung, über der sich die weit ausladenden Wipfel von Riesenbäumen zu einem Blätterdach vereinten. Mythor legte die Hände an den Mund. »Komm zurück!« rief er. »Komm her, ich weiß, dass du da bist! Ich will nur mit dir reden!«
    Hatte er eine Antwort erwarten dürfen? Der Wald schwieg. Selbst das Gezwitscher der Vögel und das Summen der Käfer waren verstummt. Nur ein leichter Wind brachte die Blätter der Bäume zum Rauschen.
    Aber der Unbekannte hatte deutliche Fußabdrücke hinterlassen. Mythor folgte ihnen.
    *
    Es begann bereits zu dämmern, als Mythor jene Stelle wieder erreichte, an der er Nilomburs Lendenschurz gefunden hatte. Wollte der Unbekannte ihn narren, indem er ihn wieder hierher zurückführte?
    Aber das weiße Tuch war verschwunden, und die frischen Spuren folgten jenen, die Mythor bereits gesehen hatte.
    Mythor brach sich einen starken Ast ab und wog ihn in der Hand. So bewaffnet nahm er erneut die Verfolgung auf. Dabei gewann er den Eindruck, dass der Fremde nicht recht wusste, wohin er sich eigentlich wenden sollte. Einmal führte seine Spur nach Westen, dann wieder nach Osten, kurz darauf nach Süden. Bedeutete das, dass er sich noch nicht lange auf der Insel aufhielt? Nur ein Narr konnte hoffen, einen Verfolger durch den häufigen Richtungswechsel in die Irre führen zu können.
    Aber gerade dies schien der Unbekannte zu wollen, wenn er nicht darauf aus war, Mythor die Verfolgung leichtzumachen. Denn nun fand der Sohn des Kometen immer häufiger weiße Fäden, die an Zweigen hingen oder auf dem Boden lagen. Mythors Grimm wuchs. Er fühlte sich zum Narren gehalten, und als er schließlich wieder auf dem Fels der Klippen stand, machte er seinem Zorn durch eine Reihe von Verwünschungen Luft.
    »Ich weiß, dass du mich hören kannst!« schrie er. »Zeige dich endlich, wer immer du bist!«
    Ein in die Tiefe polternder Stein antwortete ihm. Er befand sich jetzt genau am Südzipfel der Insel. Von hier aus war von der Bucht nichts mehr zu sehen. Mythor trat vorsichtig an den Rand der Felsen und sah hinab. Hier fielen die Klippen nicht so steil ab wie an anderen Stellen, und es gab Vorsprünge genug, um einen Mann nach unten klettern zu lassen – weit genug jedenfalls, um bis zu der Höhle zu gelangen, deren dunkle Öffnung ihm entgegengähnte.
    Er sah sich noch einmal um und begann mit dem Abstieg.
    Die Höhle befand sich etwa in halber Höhe des Felsens. Der Eingang war groß genug, um zwei Männer nebeneinander eindringen zu lassen, ohne dass sie ihre Köpfe einziehen mussten. Davor schob sich eine zwei, drei Fuß breite Felsleiste über den Abgrund. Lehmspuren und kleine Moosbüschel zeigten ihm an, dass derjenige, der sich diesen Ort als Versteck ausgesucht hatte, häufiger Ausflüge auf die Insel unternahm.
    Mythor wusste, dass es sinnlos war, noch einmal nach dem Fremden zu rufen. Falls der

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