Insel der Träumer
sich zurückerinnern konnten. Sie priesen auf ihre Art die Götter, die ihnen dieses Land geschenkt hatten, und baten um weitere reiche »Ernte«.
Farina klammerte sich fest an Golad, blickte von ihm zu Mythor und wieder in die Augen des Gefährten, und Furcht lag in ihren Blicken, als habe sie große Angst davor, dass Golad das gleiche geschehen könne wie Mythor, dem sie so vieles verdankten.
»Warum hat er das nur getan!« schimpfte Sadagar. Hilflos sah er sich um, als Mythor sich immer noch nicht regte. »Und das schlimme ist, dass wir überhaupt noch nicht wissen, was er getan hat!«
»Vielleicht«, lallte Chrandor, doch der ehemalige Pirat besann sich rechtzeitig seiner selbstverordneten Zurückhaltung und blickte mit glasigen Augen interessiert die Decke an, als Sadagar sich zu ihm umdrehte.
Mythors Hände waren aufgerissen und blutverkrustet, seine Gesichtszüge selbst in der Ohnmacht verzerrt. Auch an den Beinen und Armen hatte er Schrammen, die man sich hier, wo es nichts als Sand und Moos gab, kaum zu holen vermochte.
»Er war bei den Klippen«, stellte Golad fest. »Vielleicht beim Wrack der Gasihara.«
»Ja, aber was wollte er da? Nilombur suchen?« Sadagar schimpfte wieder wie ein Rohrspatz. »Ein Dickschädel ist er! Solange ich ihn kenne, war er das, aber immer hatte er Gründe für das, was er tat! Was ist jetzt nur wieder in ihn gefahren? Was will er?«
Golad hob die Schultern und zog Farina fester an sich. »Es ist, als habe er keine Augen für das Schöne.«
»Ach, ich könnte dir sagen, wofür er Augen hat!«
»Wofür?« fragte Chrandor schnell.
»Du bist still!«
Beleidigt rutschte der Pirat bis zur Wand der Hütte zurück und bedachte den Steinmann mit vernichtenden Blicken, bevor er sich seinen »Händen« zuwandte – Aß und Baß, den beiden in den Stulpenhandschuhen steckenden Weichtieren, die ihm die abgeschlagenen Hände ersetzten. Er schien mit ihnen zu sprechen, ihnen sein ganzes Leid zu klagen. Doch er ging nicht hinaus zu den anderen. Wenn er Durst verspürte, schickte er entweder Aß oder Baß hinaus, und bald schon kamen die tentakelbewehrten Tiere mit den unglaublichen Kräften mit einem neuen, vollen Krug zurück.
Auch Sadagar war berauscht, wenngleich ihn der Anblick Mythors, als dieser ins Dorf gebracht worden war, schnell wieder einigermaßen nüchtern gemacht hatte. So hütete er sich davor, jemandem vom Sohn des Kometen zu erzählen, wenngleich er nicht verstand, warum Mythor daraus jetzt noch ein Geheimnis machte. Er wollte nicht, dass darüber gesprochen wurde, und Sadagar respektierte das. Aber er begriff den Freund nicht mehr.
Endlich, Sadagar hatte die Krüge nicht gezählt, die Chrandor in der Zwischenzeit geleert hatte, rührte sich Mythor. Seine Lippen bewegten sich, aber nur unzusammenhängende, meist unverständliche Worte redete er. Farina fuhr ihm sanft mit einem feuchten Tuch über die Stirn, als er erneut stark zu schwitzen begann.
Dann schlug er die Augen auf. Sadagar wich entsetzt ein Stück zurück, als er sah, wie sie in ihren Höhlen rollten.
»Mythor«, flüsterte er. »Bei Erain, beruhige dich doch! Wir sind bei dir, deine Freunde!«
Doch der Sohn des Kometen schien ihn nicht zu hören. Seine Augen kamen zur Ruhe und blieben in unergründliche Fernen gerichtet.
»Mythor!« Sadagar war wieder bei ihm und nahm Farina das Tuch aus der Hand. »Holt mir etwas Wein.«
»Nein!«
Mythor bäumte sich auf. Wie ein Gehetzter sah er sich um, erblickte erst jetzt die Gefährten und ließ sich kraftlos zurücksinken auf das weiche Lager aus Decken.
»Keinen… Wein«, flüsterte er. Seine Hand fand den Arm des Steinmanns. »Es ist alles… nicht wirklich! Trinkt nicht vom Wein! Er vergiftet euch! Es gibt… kein Paradies, keine Hütten, keine… Frauen hier…«
»Krank«, kam es von Chrandor. »Sssein Geist issch krank!«
Golad sah Sadagar unsicher an. Er beugte sich über Mythor und fragte: »Sag uns, wo du warst, Mythor! Was hast du gesehen?«
»Die Insel…«, stammelte Mythor, »wie sie… wirklich ist!« Er holte tief Atem und richtete sich auf. Zwischen Sadagar und den beiden Liebenden blieb er sitzen und schüttelte den Kopf. »Ihr müsst alles vergessen, was ihr gesehen und gehört habt. Es ist nicht wirklich da.«
Und er berichtete von seiner Spurensuche, von der Begegnung mit Rachamon und dem, was er unter dem magischen Schutz geschaut hatte. Sein Atem ging heftig, und immer wieder musste er Pausen machen. Er hatte nicht die Kraft,
Weitere Kostenlose Bücher