Insel der Träumer
erreichte die Plattform und sah den Eingang der Grotte dunkel klaffen.
»Sadagar!« schrie er. »Rachamon!«
»Hierher, Mythor!« kam es vom Rand der Plattform her. »Ich habe ihn! Aber bei Erain! Die Fangarme…!«
Mythor sah, wie sich etwas schattenhaft in den Wolken bewegte. Zusammen mit Golad fand er den Steinmann, der den offenbar bewusstlosen Magier von dort wegschleifte, wo sich die mörderischen Tentakel des Kraken über die Klippen schoben. Das aber hieß, dass das Ungeheuer seine Opfer nicht nur in der Grotte töten, sondern seine Arme durch unterseeische Öffnungen in die Bucht selbst hinausstrecken konnte.
Sadagar rutschte aus. Schon schossen die Tentakel heran, zwei, drei von ihnen. Mythor ließ sich flach auf den harten Fels fallen und entging den peitschenden Mördern nur um Haaresbreite. Aber sie schwangen zurück. Mythor riss dem Steinmann, der sich nun beide Hände vor die Augen geschlagen hatte, zwei seiner Messer aus dem Gurt und warf eines davon Golad zu, der sich um den Magier kümmerte. In der aufspritzenden Gischt konnte der Sohn des Kometen für Augenblicke nichts erkennen. Seine Linke hatte Sadagar am Nacken gepackt, die Rechte wartete mit der Klinge auf den nächsten Fangarm. Wie weiße Juwelen regnete das aufgewühlte Wasser auf die Männer herab. Völlig durchnässt zog Mythor Sadagar mit sich fort, nur weg vom Wasser.
Farina schrie auf. Mythor fuhr herum und sah den Tentakel heranschnellen. Mit beiden Händen hielt er die Klinge und stieß sie blitzschnell ins graue, schleimige Fleisch des Kraken. Von irgendwoher kam ein grässliches Kreischen, und der Boden schien unter den Füßen der Verzweifelten zu erzittern. Mythor stieß zu, immer und immer wieder, bis sich der Fangarm einrollte und in Nebel und Gischt verschwand.
»Weg hier, Golad!« brüllte er. »Schnell, zum Pfad!«
Er selbst zerrte den Steinmann in die Höhe und trug ihn bis zu den Felsstufen. Golads Gestalt schälte sich mit Rachamon auf der Schulter aus dem Dunkel. Auch sein Messer war von gelbem Blut verschmiert.
Schwer atmend ließen sich die beiden Kämpfer auf den Stufen nieder. Irgendwo hinter ihnen zuckten die Tentakel durch die Schleier, doch sie reichten nicht bis zu ihnen heran.
Mythor gönnte sich keine Rast. Er packte den Magier an den Schultern und rüttelte ihn, bis sein Blick sich klärte.
»Mythor«, flüsterte Rachamon, als gebe es nichts Selbstverständlicheres, als den Krieger hier zu sehen. »Da bist du also. Aber warum hast du mich warten lassen? Und… wer sind deine Begleiter?«
Der Geist des Magiers war verwirrt. Unsicher sahen Mythor und Golad sich an.
»Rachamon, du kennst sie alle! Sie waren mit uns auf dem Schiff!«
»Oh… ja«, murmelte der Seemagier. »Jetzt weiß ich es wieder.«
Mythor hörte Steine die Klippen herabpoltern und bezweifelte, dass die Verfolger nun noch immer oben warten würden.
»Was meinst du damit, ich habe dich warten lassen?« fragte er schnell.
»Du hast mich doch gerufen«, sagte Rachamon. »Ich sollte zu dir kommen… hierher…«
Mythor begriff augenblicklich, was geschehen war, und klärte Rachamon eilig auf. Der schüttelte ungläubig den Kopf.
»Dann gibt es kein sicheres Versteck mehr. Meine Magie kann das Ungeheuer nicht mehr bannen. Und ich wäre blind in die Falle gelaufen, wenn ihr nicht…«
»Rachamon, darüber können wir später reden! Wir müssen hier fort! Der Weg auf die Insel ist uns versperrt. Wir werden von allen gejagt. Aber einen Ort gibt es noch, an dem wir vorerst sicher sind und… vielleicht das finden, was wir brauchen, um den Kraken zu besiegen.«
»Die Gasihara!« rief Sadagar aus, der von Chrandor rührend umsorgt wurde.
»Das Schiff«, nickte Mythor. »Unter Deck sind Waffen für Logghard gelagert. Doch wie es aussieht, werden wir sie hier dringender brauchen.«
»Ich verstehe zwar nicht, wie du dir das vorstellst«, murmelte der Magier, »aber was bleibt uns anderes übrig?«
»Außerdem haben wir den Kraken verwunden können«, sagte Golad.
Mythor lachte bitter. »Nadelstiche, mein Freund. Mehr war es nicht. Wohl noch nie zuvor hat jemand gewagt, sich dem Monstrum entgegenzustellen. Allein deshalb verlor es für einen Augenblick die Kontrolle. Kommt, wir versuchen, an den Felsvorsprüngen dicht über dem Wasser auf die andere Seite der Bucht zu gelangen!«
Die Gefährten standen auf. Nur Sadagar blieb sitzen. Der Steinmann hatte die Augen geschlossen und drehte die drei Ringe gegeneinander, die er sich vom Hals
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