Insel der Traumpfade Roman
als sie sich gegen die marodierenden Wiradjuric verbündet hatten. »Die Gesetze sagen uns, dass Feindschaft untereinander beim corroboree tabu ist«, ermahnte sie ihn. »Wenn wir uns hier in Frieden versammeln, dann können unsere traditionellen Feinde zu unseren Verbündeten werden«, fuhr sie fort. »Es ist die einzige Möglichkeit, den weißen Mann loszuwerden.«
Mandarg schnaubte, jugendliche Arroganz sprach aus seinen Augen. »Ich habe deine Weisheit immer respektiert, alte Frau, aber sich mit den Wiradjuric zu verbünden hieße, die geheiligten Gesetze meines Stammes zu brechen.«
Zustimmendes Raunen kam aus dem Kreis.
»Du wirst keinen Stamm mehr haben, wenn du dich nicht an die Seite der Krieger Pemulwuy und seinen Sohn Tedbury stellst, um diesen Feind zu bekämpfen.«
»Sollen die Krieger doch Krieg führen«, entgegnete er. »Der weiße Mann kann nicht besiegt werden, also werden wir ihn benutzen, um unsere Feinde zu bezwingen.«
Mühsam kam Lowitja auf die Beine. Ihre Gelenke schmerzten, nachdem sie so lange im Schneidersitz zugebracht hatte, und sie hatte für diesen Abend genug Unfug gehört. »Mandarg«, sagte sie leise, »du bist ein Narr. Erst wenn die Geister die weiße Eule schicken, wirst du die Wahrheit erkennen und zugeben, dass ich recht hatte. Aber dann wird es zu spät sein.«
Sie hörte das leise Stapfen seiner Füße hinter sich, denn er war ihr vom Feuer aus gefolgt. Als sie die Dunkelheit erreicht hatten, drehte sie sich zu ihm um. »Ich habe genug geredet«, sagte sie. »Dein Schicksal steht bereits geschrieben.«
Mandargs Körperhaltung zeugte von seiner Angst. Die Arroganz war verflogen, und Lowitja wurde wieder an den kleinen Jungen erinnert, der einst mit großen Augen zu ihren Füßen gesessen hatte, während sie Geschichten von den Bösen erzählte.
»Weise Frau, du sprichst in Rätseln. Sag mir, was du gesehen hast.«
»Du bist jung, und das Blut des Kriegers wallt so heftig in dir, dass du die Wahrheit nicht erkennst«, murmelte sie. »Aber das Alter wird die Weisheit mit sich bringen, nach der du suchst.«
Er war offenbar noch immer verwirrt, und Lowitja ließ sich erweichen. »Du wirst ein langes Leben haben, Mandarg«, sagte sie, »ein Leben, das viele Veränderungen erfahren und dich in die Gesellschaft von Männern führen wird, die versuchen werden, dich zu beeinflussen – doch der Tod einer Frau wird dir die Augen für dein Schicksal öffnen.« Sie lächelte zu ihm auf. »Die Geister werden dich nie verlassen, auch wenn du nicht auf sie hörst, und wenn die Zeit gekommen ist, werden sie dir mit der weißen Eule ein Zeichen senden, damit du auf den wahren Pfad zurückkehrst.«
Sie ließ ihn stehen, eine einsame Gestalt als Silhouette im Mondschein, und kehrte an ihr eigenes Lagerfeuer zurück. Sie kam gerade noch rechtzeitig, um sich von Mandawuy zu verabschieden. Der Siebenjährige war ein stämmiges Kind mit wachem Verstand und ernstem Auftreten, und heute Abend würde er mit den Ältesten und den anderen nicht initiierten Jungen zum heiligen Ort des Wissens am Fuße des Uluru gehen. Seine lange Vorbereitung auf das Mannesalter hatte begonnen, und Lowitja war traurig, dass er sie bald nicht mehr brauchen würde.
Ihr Blick folgte dem gewundenen Weg der Gruppe durch die Versammlung, bis sie außer Sichtweite war, und Lowitja wusste sehr wohl, sie musste die althergebrachten Weisen ihres Volkes akzeptieren und zulassen, dass andere sich der Ausbildung ihres Enkels verschrieben. Mandawuy würde nun bei den Ältesten der Anangu bleiben, bis das corroboree vorüber war, und die heiligen Geschichten hören, die mit diesem besonderen Ort verbunden waren. Er würde lauschen, während der weise alte Mann ihm die Geheimnisse der Schöpfung des Uluru und der Kata Tjuta eröffnete, die Reise der Regenbogenschlange beschrieb, die mit einem Schlag ihres Hinterteils Flüsse entspringen ließ – und Dinge erfahren, die ihr selbst aufgrund ihres weiblichen Geschlechts verborgen blieben.
Lowitja stocherte mit einem Stock in der Glut des Feuers und beobachtete die Flammen, wie sie im leisen Wind tanzten, derüber die Ebenen des Hinterlandes strich. Nach dem Massaker hatten ihre Großen Vorfahren sie an den Uluru gerufen, wo das Volk der Anangu sie und Mandawuy willkommen geheißen hatte. Sie hatten ihr Unterschlupf gegeben und ihren Enkel wie einen der ihren aufgenommen – und das bekümmerte sie, denn Mandawuy war kein Anangu.
Ihre Gelenke machten ihr wieder zu schaffen,
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