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Insel meiner Sehnsucht Roman

Insel meiner Sehnsucht Roman

Titel: Insel meiner Sehnsucht Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Josie Litton
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ohne ausreichende Nahrung und Wasser, ohne Hoffnung, in trübem Licht. Neun Monate, die ihn beinahe das Leben gekostet und einen schwächeren Mann gewiss zum Wahnsinn getrieben hätten.
    Danach hatte er sehr lange um seine körperliche und seelische Genesung kämpfen müssen. Erst seit kurzer Zeit konnte er wieder in geschlossenen Räumen schlafen.
    Und jetzt kehrte er zum Ort seiner Leiden zurück – zu dem Mann, der ihm dies alles angetan hatte.
    Er hielt sich von ihr fern. Nicht nur die Länge des Decks trennte sie, viel mehr lag zwischen ihnen – eine unüberwindliche Barriere? Ein schmerzlicher Gedanke, der sie jedoch nicht daran hinderte, an Royces Seite zu treten. Langsam schaukelte das Schiff unter ihren Füßen. Und die Küste glitt unaufhaltsam heran.
    Hätte ich sie bloß nicht mitgenommen, warf er sich vor. Sicher wäre sie im Palast besser aufgehoben, bei ihren Eltern und Joanna – so gut geschützt, wie es bis zu Deilos' Festnahme oder seinem Tod möglich ist … Zumindest könnte er sich dann auf den bevorstehenden Kampf konzentrieren.
    Stattdessen fiel es ihm schwer, nicht an den Duft ihrer Haut zu denken, den der Meereswind zu ihm herüberwehte, das leise Rascheln ihres Kleids, den fast unwiderstehlichen Drang, sie an seine Brust zu ziehen. So verdammt gut hatte sie sich in seinen Armen angefühlt, als würde sie dahin gehören. Und er gestand sich ein, dass er noch nie so zufrieden wie in jenen Stunden gewesen war, wo er sie an sein Herz gedrückt hatte.
    Aber dies alles ist Vergangenheit, entschied er. Zerstört von der Erkenntnis, was sie getan oder wozu sie sich entschlossen hatte.
    Beinahe wäre sie gestorben.
    Eiseskälte stieg in ihm auf. Daran musste er sich stets erinnern. Der Tod seiner Eltern war schlimm genug gewesen. Aber damals hatte ihm die segensreiche Kraft der Kindheit geholfen, seine Trauer zu überwinden und in die Zukunft zu blicken. Diesmal war es anders, denn Kassandras Verlust würde eine schwarze Leere in seiner Seele hinterlassen, die er wohl niemals ausfüllen könnte. Und da sie so felsenfest an ihr angebliches Schicksal glaubte, müsste sie ihm tunlichst aus dem Weg gehen.
    Ihre Hand streifte seine, und er versteifte sich, wollte ihr ausweichen. Zu seinem Leidwesen gelang es ihm nicht. Entweder mangelte es ihm an der nötigen Willensstärke, oder ihre Finger hielten ihn zu eisern fest. Einige Sekunden verstrichen, die Küste näherte sich, und die Männer begannen, ihre Vorbereitungen zu treffen.
    Plötzlich wandte Kassandra ihr Gesicht ab. Aber nicht, bevor er den silbernen Glanz ihrer Tränen gesehen hatte. »Stirb nicht«, flehte sie leise. »Bitte, stirb nicht.«
    Der Wind frischte auf.
    Anscheinend war Deimatos verlassen. Nicht einmal ein Hase kreuzte ihren Weg, während sie die kurze Strecke vom Ankerplatz zum größten Höhleneingang zurücklegten. Dabei überquerten sie einen schmalen Pfad – eigentlich nur eine Fußspur im Gras, das bereits wieder zu wachsen begann. Deshalb wäre sie vielleicht unbemerkt geblieben, hätte Royce die Bäume und Felsblöcke ringsum nicht wiedererkannt. Deutlich genug hatten sie sich seinem Gedächtnis eingeprägt, ehe er in der Hölle gelandet war, von gnadenlosen Händen hinabgestoßen.
    Am Ende des Pfads lag das Gefängnis, in dem er beinahe den Tod gefunden hätte. Er roch immer noch das feuchte Gestein, das verfaulte Moos. Viel zu lebhaft erinnerte er sich an die gnadenlose Kälte, die sogar an Sommertagen in seine Knochen gekrochen war, an die helle Sonne, die wie grausamer Hohn durch den winzigen Fensterschlitz geschienen hatte. Jedes Mal, wenn er kräftig genug gewesen war, hatte er sich an den Gitterstäben vor dem Fenster hochgezogen und über das Wasser hinweg den weißen Turm auf einer nahen Insel betrachtet. Von dieser Zelle aus wird man mich zum Schauplatz meiner Hinrichtung führen, hatte er Tag für Tag gedacht.
    Der Gefangene, der damals dem schmalen Pfad gefolgt war, unterschied sich von dem Mann, der jetzt im Vorübergehen einen flüchtigen Blick darauf warf, ohne mit der Wimper zu zucken. Im Leben lag tatsächlich die Verheißung einer Wiedergeburt. Aber dafür musste man einen hohen Preis zahlen. Die Qualen der Vergangenheit bedrückten ihn nicht mehr. Umso schmerzlicher erschien ihm das Leid der Zukunft.
    Beinahe wäre sie gestorben.
    Nicht einmal für eine kleine Weile konnte er das vergessen. Im Lauf der Stunden waren sein Entsetzen und der heiße Zorn immer unerträglicher geworden, während er genug Zeit

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