Insel meiner Traeume
Royces Abreise einzuwenden... ?«
Darin lag das Problem. Atreus konnte den Hawkfortes verbieten, Akora zu verlassen. Diese Macht hatte er. In der letzten Nacht hatten sie stundenlang darüber diskutiert und mehrere Weinkrüge geleert. Sein Halbbruder war sehr verständnisvoll.
»Gar nichts. Warum sollte er?«
»Und du?«, fragte Joanna.
»Du bist deinem Bruder verpflichtet.« Diese Worte sprach er nicht wie ein Frage aus. Sonst hätten sie wie ein verzweifeltes Flehen geklungen, das ihm sein Stolz verbot. »Und ich dem Vanax. Das wussten wir von Anfang an.«
»Bitte...« Ihre Stimme sank zu einem Flüstern herab, und ihre Hand... Nein, er täuschte sich nicht - sie streckte ihre Hand aus.
Daran würde er sich erinnern, darüber nachdenken. Aber jetzt trat er einen Schritt zurück. Diesen kleinen Sieg brauchte sein Selbstwertgefühl. »Wir alle müssen unsere Aufgaben erfüllen, nicht wahr?«
»Oh ja - immer.« Sie war sehr blass, ihr Rücken kerzengerade, und ihre Augen... Darin konnte er nichts lesen.
»Ich werde ein Schiff für euch bereitstellen«, erbot er sich hastig, bevor er irgendetwas anderes sagen würde.
»Danke«, erwiderte sie höflich.
Zum Teufel mit ihr.
»Joanna...«
Plötzlich schniefte sie leise, und dieser Laut erschreckte ihn. Sie würde doch nicht weinen? Nein, nicht Lady Joanna Hawkforte, diese unbeugsame Frau.
»Wahrscheinlich habe ich mich erkältet«, murmelte sie. »Im unterirdischen Fluss...«
Und er gab vor, ihr zu glauben. Das war für beide am einfachsten.
16
Das Haus roch nach Zitronenöl. Nicht nach dem Zitronenduft von Akora, sondern nach der Essenz einer Möbelpolitur, mit der Joanna den Gedanken an aufmerksame Dienstboten und eine vernünftig geregelte häusliche Ordnung verband.
Daheim... Während sie in der Eingangshalle stand, erwog sie die Bedeutung dieses Wortes. Es passte nicht hierher, was sie nicht überraschte, denn ihr Heim war Hawkforte, nicht das Londoner Haus, das sie mit Royce kurz nach der Landung in Southwark bezogen hatte.
Trotzdem musste es vorerst genügen. Darauf bestand ihr Bruder, weil er einige Leute treffen musste, deren Namen er ihr verschwieg. Auf keinen Fall wollte er sich nach Hawkforte zurückziehen, um den Status eines »Rekonvaleszenten« zu kultivieren, wie er mit theatralisch gekräuselten Lippen verkündet hatte. Er sei kein »verdammter Invalide« und eindeutig auf dem Weg der Besserung. Deshalb dürfe sie kein »Getue« um ihn machen.
Hätte sie ihn nicht so innig geliebt, wäre sie versucht gewesen, mit beiden Fäusten gegen seine Brust zu trommeln. Im Lauf der Schiffsreise hatte er ein wenig zugenommen, nachdem er auf so grausame Weise abgemagert war. Doch er mutete sich zu viel zu und verbrachte fast die ganze Zeit an Deck, statt im Bett zu liegen. Zweifellos hatten ihm der Son-nenschein und die frische Luft gut getan. Aber Joanna vermutete, dass er es nach seiner langen Gefangenschaft nicht ertragen hatte, sich in den vier Wänden seiner Kabine eingesperrt zu fühlen.
Sie drehte sich um, als er mit Bolkum Harris’ Hilfe das Haus betrat. Oder - genauer ausgedrückt - der treue Mann versuchte , ihm zu helfen. Entschieden lehnte Royce das Angebot einer Schulter ab, auf die er sich stützen könnte, und erreichte die Halle aus eigener Kraft. Eine Zeit lang blieb er stehen und sah sich um. Anscheinend wollte er jede Einzelheit in seine Erinnerung zurückrufen und genießen. »Nichts hat sich verändert«, bemerkte er mit einem schwachen Lächeln.
»Warum sollten wir auch was ändern?« In wehendem schwarzem Bombasin und sichtlicher Empörung eilte Mrs. Mulridge die Treppe herab. »Oh Mylord, wie konnten Sie uns so viel Kummer bereiten?«
Verwirrt starrte er sie an, dann warf er seinen goldblonden Kopf in den Nacken und lachte - zum ersten Mal seit seiner Befreiung. Gerührt und beglückt beobachtete Joanna, wie ihr Bruder die Haushälterin umarmte, emporschwang und im Kreis drehte.
Auch Mrs. Mulridge lachte erleichtert und freudestrahlend, was ihren nächsten Worten die angestrebte Wirkung nahm. »Lassen Sie mich runter, Sie riesengroßer Lümmel! Was haben Sie sich eigentlich dabei gedacht? Für so viele Monate zu verschwinden...« Nun galt ihr strenger Blick Joanna. »Und die da! Läuft hinter Ihnen her, mit dem Verstand eines drei Tage alten Kükens!«
Royce stellte sie gehorsam auf die Beine und wandte sich zu seiner Schwester. Mittlerweile von zwei vorwurfsvollen Augenpaaren gemustert, tat sie ihr Bestes, um nicht
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