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Insel meiner Traeume

Titel: Insel meiner Traeume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Josie Litton
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wegzuschauen.
    »Da gebe ich Ihnen völlig Recht, Mrs. Mulridge«, betonte Royce. »Die näheren Umstände dieser Dummheit kenne ich noch nicht. Aber ich werde die Details bald herausfinden«, fügte er warnend hinzu.
    Joanna ignorierte das Unbehagen, das ihre Herzschläge beschleunigte. »Immerhin konnte das drei Tage alte Küken in die Tat umsetzen, was es sich vorgenommen hatte. Royce ist mehr oder weniger wohlbehalten heimgekehrt. Nur darauf kommt es an. Wenn ich mich jetzt entschuldigen dürfte - ich brauche ein Bad.« Das brauchte sie keineswegs, nachdem sie in der Badekammer der Kapitänskajüte an Bord des akoranischen Schiffs ausgiebig geduscht hatte. Aber sie benötigte einen Vorwand, um unangenehmen Fragen auszuweichen.
    »Ja, das glaube ich auch.« Mrs. Mulridge rümpfte ihre lange Nase. »Von Ihrer Kleidung ganz zu schweigen, Mylady. Was haben Sie denn da an?«
    »Ein Gewand im akoranischen Stil - viel bequemer als die englische Mode...« Auf halber Höhe der Treppe drehte sich Joanna um und betrachtete ihren Bruder mit schmalen Augen. »Hoffentlich wirst du deine Aktivitäten nicht übertreiben, Royce. Du bist noch nicht vollends genesen.«
    Nachdem sie das Interesse der Haushälterin auf dieses Thema gelenkt hatte, setzte sie ihren Weg zufrieden fort. Prompt hörte sie Mrs. Mulridge schimpfen: »Schauen Sie sich mal an, Mylord! So mager wie ein Habicht, der nicht mehr jagen kann! Laufen Sie in die Küche, Bolkum, und sagen Sie der Köchin, sie soll sofort eine nahrhafte Mahlzeit vorbereiten - alle Lieblingsspeisen Seiner Lordschaft!«
    Belustigt über Royces erfolglosen Versuch, die Fürsorge abzuwehren, der er unmöglich entrinnen konnte (was sogar er wusste), eilte Joanna in ihre Suite.
    Über eine Woche lang hatte sie ihrem Bruder ein tapferes Gesicht gezeigt und war seinen bohrenden Fragen ge-schickt ausgewichen. Jetzt brauchte sie dringend etwas Zeit für sich selbst. Die wurde ihr vorerst nicht gewährt. Von Mrs. Mulridge beauftragt, folgten ihr mehrere Dienstmädchen, schleppten Eimer mit heißem Badewasser und gewärmte Handtücher ins Zimmer und bemühten sich vergeblich, ihr neugierige Blicke zu ersparen. Sobald sie ihre Arbeit erledigt und die Tür hinter sich geschlossen hatten, hörte Joanna sie im Flur tuscheln.
    Natürlich durfte sie ihnen die Neugier nicht verübeln. Als sie ihre Herrin zuletzt gesehen hatten, war sie die vernünftige Lady Joanna gewesen - stets geneigt, ihre Hände in der fruchtbaren Erde von Hawkforte zu vergraben und ihr neues Leben zu entlocken, an heißen Sommertagen einen Krug Apfelwein mit den Feldarbeitern zu teilen und am Vorabend des Allerheiligentags um das Feuer zu tanzen. So vertraut wie ein alter Schuh, hatte sie den Leuten - und sich selbst - keine Überraschungen bereitet.
    Wie sehr sie sich alle in ihr getäuscht hatten... Die Frau, die ihr jetzt aus dem Spiegel über dem Toilettentisch entgegenblickte, könnte einer Legende entstammen. Von feuchter Meeresluft gekräuselt, fiel das honigblonde Haar ungebändigt bis weit über die Schultern hinab. Leuchtend hoben sich die haselnussbraunen Augen von der golden getönten Haut ab. Während modische Kleider die fließenden Linien des klassischen Altertums zu imitieren suchten, trug Joanna eine echte altgriechische Robe.
    Gewiss, nach dem geltenden Maßstab war sie züchtig bedeckt. Aber selbst unbedarfte Betrachter würden eine neue Sinnlichkeit, ein gesteigertes Selbstbewusstsein in ihrer Miene und ihrer Haltung bemerken, sogar in der schlichten Geste einer Hand, vor dem Spiegel ausprobiert. Ein Souvenir aus Akora, dachte sie und blinzelte, als sich ihr Blick verschleierte.
    Lächerlich. Sie würde nicht mehr weinen. Keinesfalls. Auf der Heimfahrt hatte sie genug Tränen vergossen. Schon wieder dieses Wort - Heim... Ihr Herz sehnte sich nach dem Balsam von Hawkforte. Dort könnte sie sich in der Schönheit reifender Felder verlieren, im Rhythmus der Jahreszeiten, im Lächeln alter Freunde.
    Das Ich verlieren, das sie erst vor kurzer Zeit aufgespürt hatte.
    Sie, die das Talent besaß, Verschwundenes zu finden, hatte auf so erstaunliche Weise ihr wahres Wesen entdeckt.
    Zu Hawkforte gehörten auch die Pflichten, die es ihr auferlegte. Das würde die Frau im Spiegel verstehen. Solchen Frauen wurde das Wissen in die Wiege gelegt, dass eigene Wünsche hinter der Verantwortung zurückstehen mussten. Noch lange, nachdem das Leben ein Ende genommen hatte und der Körper verwest war, würde das Erbe der erfüllten

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