Insel meiner Traeume
unnötig - zumindest vorerst. Solange so vieles unausgesprochen war, nicht entschieden - nicht erkannt...
Alex hatte mehrmals versichert, er würde ihr nichts zuleide tun. Eine Lüge? Oder ein belangloses Versprechen, das er in der Hitze seiner Leidenschaft gegeben hatte? Wie sollte sie das wissen? Im Grunde kannte sie ihn nicht - zumindest nicht gut genug. In seiner Nähe schien sie sich selber kaum zu kennen...
Jetzt war sie mit ihrem schlafenden Bruder allein, und sie besann sich darauf, wer sie war - Lady Joanna Hawkforte, eine junge Frau vom Land, ohne anmaßende Wünsche, ohne Verständnis für die eitle, oberflächliche Londoner Gesellschaft, zufrieden mit dem wohl geordneten Rhythmus ihres Alltags.
Und dieselbe Frau hatte sich auf ein ungewöhnliches Abenteuer eingelassen, um den geliebten Bruder zu retten. Das würde ihr gelingen, was immer es kosten mochte.
Während der restlichen Nacht bewachte sie seinen Schlaf, sie selbst blieb wach. Wenn er Recht hatte, wenn der Vanax wirklich für seine Gefangenschaft verantwortlich war, schwebte Royce in Lebensgefahr. Nur das zählte. Sonst nichts.
Im Morgengrauen ging sie auf die Suche nach Alex. In seiner Suite traf sie ihn nicht an. Das Bett war unberührt. Sekundenlang schloss Joanna die Augen. Wo sie ihn finden würde, wusste sie.
Im Tageslicht sah der Teich der Seufzer wie ein ganz gewöhnliches Gewässer aus. Nun gibt er nichts von seinen Geheimnissen preis, dachte Alex und starrte in die blauen Tiefen. Als er leichtfüßige Schritte auf dem schmalen Pfad hörte, drehte er sich um. Die Hände auf dem Rücken verschränkt, widerstand er der Versuchung, Joanna zu umarmen. »Wie geht es Royce?«
»Besser. Er schläft tief und fest. In der Nacht ist er erwacht.«
»Und in helle Aufregung geraten. Das hat Elena mir erzählt.«
Und dass die Lady den Wunsch geäußert habe, mit ihrem Bruder unter vier Augen zu reden. Elena besaß keine Englischkenntnisse. Aber sie spürte es, wann immer Geheimnisse ausgetauscht wurden. Was hatte Lord Royce Hawkforte seiner Schwester mitgeteilt? Warum war ein ungestörtes Gespräch erforderlich gewesen?
»Was hat er gesagt, Joanna?«
»Natürlich ist er froh, weil er noch lebt.«
Ihr Blick schweifte an ihm vorbei, und er merkte ihr die Lüge an. Oh, nicht dass Royce seine Rettung bedauern würde... Doch sie hatten andere Dinge erörtert. Vielleicht den Plan der Engländer, Akora zu überfallen? »Hat er erwähnt, warum er hierher kam?«
»Nein.«
Wahrheit? Lüge? Das konnte er diesmal nicht feststellen.
»Oder irgendetwas über die Personen, die ihn gefangen nahmen?«
Als sie zögerte, gewann er den flüchtigen Eindruck, sie wollte sich alles von der Seele reden und ihm anvertrauen. Stattdessen schüttelte sie den Kopf. »Nichts, was uns irgendwelche Anhaltspunkte liefern würde. Er ist sehr schwach. Offensichtlich ist er in seinem jetzigen Zustand unfähig, die Mission zu erfüllen, die ihn nach Akora geführt hat - was immer das auch sein mag. Und deshalb...« Sie holte tief Atem. »Sicher ist es am besten, wenn wir sofort nach England zurückkehren würden.«
Kalt und hart vibrierten die Worte zwischen ihnen. Zuckte Joanna erschrocken zusammen? Oder bildete er sich das nur ein? »Hier gibt es Frauen, die sehr viel von der Medizin verstehen. Elena und...«
»Das weiß ich. Aber England ist Royces Heimat. Und ich finde, er sollte sich dort erholen. Es war ein schrecklicher Fehler, diese Küste anzusteuern - das weiß er inzwischen.«
»Ich verstehe...« Sollte er den Impuls bekämpfen, ihr die Heimreise zu verweigern? Sie hatte sich ihm hingegeben. Deshalb gehörte sie ihm - deshalb durfte sie nicht einfach auf und davon gehen...
Trotzdem wollte sie ihn verlassen. Ihrem Bruder zuliebe? Um zu verschleiern, warum Royce das Inselreich aufgesucht hatte? Oder einfach nur, weil sie die Liebesnächte für ein belangloses Zwischenspiel hielt?
Unfassbar, welch tiefen Schmerz dieser letzte Gedanke heraufbeschwor... Um sich abzulenken, erklärte er: »Ich habe mit Atreus gesprochen.«
»Mit dem Vanax...«
Verlieh sie dem Titel einen spöttischen Klang? Oder täuschte er sich?
»Und was sagt er?«
»Natürlich ist er froh, weil Royce noch lebt.« Mit voller Absicht wiederholte er Joannas Worte und wartete ab, welche Wirkung er damit erzielen würde.
Im Licht der Morgensonne sah er ihre Augen funkeln. Lady Joanna Hawkforte war wütend. Warum, wusste er nicht.
»Tatsächlich? Wie nett von ihm... Und er hätte nichts gegen
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