Insel meiner Traeume
exquisites Kleid versprach«, murmelte Royce.
»Und den Mund, was deine Anwesenheit in Brighton betrifft... Aber dafür hast du sie ja auch gut genug bezahlt.«
Während Joanna drei Tage lang von Stecknadeln und zupfenden Fingern geplagt worden war, hatte er sich in den Garten des Brighton-Hauses zurückgezogen, Depeschen von Freunden gelesen, deren Namen er nicht nannte, und diese Tätigkeit nur unterbrochen, um zu essen und zu schlafen. Immer noch etwas zu mager, sah er aber allmählich wieder wie der alte Royce aus.
Jedenfalls erkannten ihn alle Leute wieder. Nach der anfänglichen Verblüffung über sein unerwartetes Erscheinen umringte ihn bald eine dicht gedrängte Schar und begrüßte ihn erfreut.
Gutmütig nahm er den fröhlichen Tumult hin und ließ sich willkommen heißen. Den Fragen, wo er denn gewesen sei, wich er unerschütterlich aus. Schließlich teilte sich die Menge abrupt, um dem königlichen Gastgeber Platz zu machen.
Joanna beobachtete den Prinzregenten interessiert. Im Carlton House hatte sie ihn nur flüchtig gesehen. Jetzt erblickte sie einen Mann, der in wenigen Tagen seinen achtundvierzigsten Geburtstag feiern würde. Über dieses Alter täuschten ein rundes, fast faltenfreies Gesicht und das feine braune Haar eines Kindes hinweg. Dazu bildete sein korpulenter Körper einen seltsamen Kontrast. Er glich einem Engel, der zu viele Süßigkeiten, Obstspeisen mit Sahne und Saucen in sich hineingestopft hatte.
Zu einem Rock aus dunkelblauem Wollstoff mit langen Schößen und einem hochgestellten Kragen, der seinen Kopf bis zu den Ohrläppchen umrahmte, trug er eine kontrastierende karmesinrote Weste und eine gelbbraune Hose, die barmherzigerweise etwas weiter geschnitten war, als es die Mode noch vor wenigen Jahren vorgeschrieben hatte. Die Krawatte war kunstvoll verknotet, die seidenen Manschetten seines Hemds changierten, und das Gesamtbild erreichte beinahe die affektierte Eleganz eines Dandys.
Außerdem wirkte er schlecht gelaunt. Darauf wiesen zumindest seine grauen, im aufgedunsenen Gesicht ziemlich kleinen Augen hin. Aber die vollen, aufgeworfenen Lippen lächelten charmant. »Hawkforte, beim Teufel! Wo haben Sie bloß gesteckt?« Ehe Royce antworten konnte, fuhr Prinny jovial fort: »Tut mir verdammt gut, Sie wiederzusehen! Wissen Sie, wie lange es her ist, seit ich ein gepflegtes Gespräch über die alten Griechen führen konnte? Diese Schwachköpfe...« Mit dramatischer Geste wies er auf die versammelten Lauscher. »... können Homer nicht von Herodot unterscheiden.«
»Freut mich, dass Sie sich auch weiterhin Ihrer kultivierten Lektüre widmen, Majestät«, entgegnete Royce aalglatt und umfasste Joannas Ellbogen noch fester. »Darf ich Ihnen meine Schwester vorstellen, Sire - Lady Joanna Hawkforte?«
Nachdem sie ihren Hofknicks absolviert hatte, begegnete sie Prinnys abschätzendem Blick. »Also, dieser indische Baumwollstoff wird wirklich fabelhaft zur Geltung gebracht. Madame Dupres’ Werk?«
»Ja, Sire«, bestätigte sie, »Madame war sehr hilfreich.«
»Nicht nur Ihr Bruder wurde schmerzlich vermisst, Lady Joanna, sondern auch die exzellente Schneiderin - wenigstens in den letzten Tagen. Wie ich höre, haben sich einige Damen ganz schrecklich darüber aufgeregt. In der Tat, Royce, Sie hätten Ihren Aufenthalt in Brighton bekannt geben sollen.«
Jetzt erkannte Joanna den Grund des königlichen Missvergnügens. Der Mann, der Homer in der altgriechischen Originalsprache las und über alle literarischen Themen kenntnisreich zu parlieren wusste, reagierte überempfindlich, fast kindisch, wenn seine Privilegien nicht beachtet wurden.
»Wäre ich meiner Neigung gefolgt, Majestät, hätte ich Ihnen sofort meine Aufwartung gemacht«, beteuerte Royce. »Bedauerlicherweise...« Er beugte sich ein wenig vor, als würde er dem Prinzregenten ein Geheimnis anvertrauen, »...war ich etwas indisponiert. Deshalb fand ich es besser, erst nach meiner Genesung an Sie heranzutreten.«
Der Prinzregent erschauderte. »Oh, ich hasse Krankheiten und alles, was damit zusammenhängt! Wie nett von Ihnen, daran zu denken, Royce... Kommen Sie, ich will Ihnen so viel zeigen. Seit Ihrem letzten Besuch habe ich einige Änderungen im Pavillon vorgenommen, und ich plane noch mehr. Das will ich Ihnen erklären. Und Sie müssen meine Skizzen begutachten. Die Inneneinrichtung gefällt mir, so wie sie ist. Aber außen herum soll alles neu gestaltet werden, im Stil der muslimischen Mughal-Dynastie, die seit
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