Insel meiner Traeume
Und wenn wir bedenken, was womöglich geschehen wäre, ist es nicht so schlimm, oder?«
»Dass mir der Schweiß ausbricht, wann immer ich mich zu lange in geschlossenen Räumen aufhalte? Nein, es ist zu ertragen. Wärst du mir nicht zu Hilfe gekommen, hätte ich’s viel schlechter getroffen.«
»Wären Alex und ich dir nicht zu Hilfe gekommen«, verbesserte sie ihn sanft.
Zustimmend nickte er. »Ich fahre morgen nach Brighton.«
»Ist der Prinzregent dort?«
»Das hat Bolkum mir erzählt, und unser getreues Faktotum scheint so gut informiert zu sein wie eh und je. Anscheinend findet Prinny die Regentschaft mühsamer als erwartet. Seine Finger schmerzen, weil er so viele Dokumente unterschreiben muss, und sein Schädel brummt. Deshalb will er die heilsame Kraft des Salzwassers nutzen. Ein Großteil der Londoner Oberschicht ist ihm gefolgt.«
»Allzu weit liegt Brighton nicht von Hawkforte entfernt. Warum verbringen wir nicht ein paar Tage auf unserem Landsitz?«
»Dafür fehlt mir leider die Zeit. Aber du hast sicher Heimweh.«
»Eigentlich wollte ich bei dir bleiben.«
»Bitte, Joanna...« In mildem Ton versuchte er, seinen
Worten den Stachel zu nehmen. »Ich brauche kein Kindermädchen.«
»Wunderbar - ich habe nämlich nicht vor, dich wie ein Kindermädchen zu beaufsichtigen. Aber ich dachte, du würdest auf die Gesellschaft einer Freundin Wert legen. Wir haben uns doch immer gut verstanden, nicht wahr?«
Sekundenlang wich er ihrem Blick aus. Als er sie wieder anschaute, klang seine Stimme etwas rauer. »Und wir werden auch in Zukunft Freunde sein. Trotzdem missfällt es mir, wie viel du für mich riskiert hast, und ich möchte dich nicht noch einmal gefährden.«
»In Brighton? Großer Gott, Royce, was glaubst du denn, was dort passieren wird? Dass mich auf der Promenade eine Sänfte über den Haufen wirft?«
»Wir leben in harten Zeiten.«
»Das weiß ich. Wenn ich auch eine Landpomeranze bin -ich habe doch auch so etwas wie einen Verstand. Sollten irgendwelche Engländer tatsächlich eine Invasion auf Akora planen, mitten im Krieg gegen Bonaparte, dann wäre es reiner Wahnwitz. Und der ist immer bedrohlich.«
»Trotzdem willst du mich auf dieser Reise begleiten?«
»Royce, ich war auf Akora. Sicher verstehst du, dass mir Brighton keine Angst einjagt.«
Lachend nickte er und versuchte nicht mehr, seine Schwester umzustimmen. Sie gewann sogar den Eindruck, dass er erleichtert war, weil die Angelegenheit nun geklärt war.
In der Stille des Gartens, den die nächtlichen Geräusche der Stadt nur gedämpft erreichten, fügte Joanna hinzu: »Ich habe nachgedacht.«
»Allmächtiger, steh uns bei...«
Spielerisch schlug sie eine Faust auf seine Schulter. Da gab er sich geschlagen und hörte geduldig zu.
»Wie gesagt, im Grunde meines Herzens bin ich eine Landpomeranze. Deshalb mögen blasierte Städter die Nase rümpfen, aber es hat gewisse Vorteile. In einem Nest wie Hawkforte kennen die Leute einander sehr gut, da ist es unmöglich, Intrigen einzufädeln.«
»Und?«
»Ich bin Spencer Perceval nie begegnet.«
»Dem Premierminister? Nein, wohl kaum.«
»Umso mehr habe ich über ihn gelesen. Er hasst die Katholiken.«
»Daraus macht er keinen Hehl.«
»Wann hat ein Premierminister zum letzten Mal die Katholiken - oder irgendeine besondere Gruppe gehasst?«
»Keine Ahnung«, gestand Royce. »Vielleicht gab es einige, aber...«
»Vernünftigerweise behielten sie ihre Antipathien für sich. Das entspricht dem englischen Stil. Wie wir herausgefunden haben, leisten Politiker im Allgemeinen gute Arbeit, wenn sie ihrem Gewissen folgen. Und dann erschien Perceval auf der Bildfläche.«
»Von Hass zerfressen.«
»Und intolerant. Soviel ich gehört habe, ist er kalt und unfreundlich.«
»Ja, genauso hat er auf mich gewirkt.«
»Unglücklicherweise klammert er sich an seine Macht. Was glaubst du, wie lange noch?«
»Bis Prinny in seinem hohen Amt die nötige Sicherheit gewonnen hat, um auf seine Autorität zu pochen.«
»Nächstes Jahr werden die Beschränkungen seiner Machtbefugnisse aufgehoben. Was wird er nach deiner Meinung tun?«
»Eine Regierung nach seinem eigenen Geschmack bilden - das erwarten die meisten Leute.« »Unter Percevals Führung?«
»Man nimmt an, Prinny wird seine Whig-Freunde den Perceval-Torys vorziehen.«
»Aber wenn dem Premierminister ein grandioser Coup gelingt - zum Beispiel die Unterwerfung Akoras, würde er seine Position enorm stärken.«
Eine Zeit lang schwieg
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