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Insel meiner Traeume

Titel: Insel meiner Traeume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Josie Litton
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gesamte Personal auf seinen Landsitz zurückgeschickt.«
    »Also reist er tatsächlich ab«, murmelte Joanna.
    Bolkum nickte. »Sieht so aus.«
    Erst jetzt nahm er Mrs. Mulridges Anwesenheit zur Kenntnis und gab ihr einen diskreten Wink. Mit sanfter Gewalt umfasste sie Joannas Schultern und schob sie zur Treppe. »Nun müssen Sie endlich ins Bett gehen.«
    Joanna gehorchte nur, weil es im Augenblick nichts anderes zu tun gab. Aber etwas später, als sie zum schweren, seidenen Baldachin hinaufstarrte, begann sie, einen Plan zu schmieden. Zunächst verbannte sie ihn ins Reich absurder Fantasie. Und doch - während die Stunden verstrichen, fand sie den Gedanken immer vernünftiger.
    Irgendwo musste die Zeitung liegen. So pünktlich wie die aufgehende Sonne wurde jeden Morgen die Times ins Haus gebracht - nach Joannas Meinung einer der wenigen Vorzüge ihres Aufenthalts in London. In Hawkforte musste sie sich gedulden, bis die Zeitung per Post geliefert wurde. Deshalb las sie die Neuigkeiten erst ein oder zwei Tage später.
    In der Stadt erwartete sie, die Times auf dem Frühstückstisch vorzufinden. Aber an diesem Morgen - oder eher am frühen Nachmittag - war das Blatt nirgends zu sehen.
    Obwohl sie sich sicher gewesen war, sie würde kein Auge zutun, hatte sie geschlafen, allerdings nur kurz und unruhig, von beklemmenden Träumen geplagt. Erleichtert war sie aufgestanden, dankbar für die Abwesenheit der Haushälterin, die sie meistens viel zu aufmerksam beobachtete. Mrs. Mulridge war auf den Markt gegangen, und so hatte Joanna eine gute Stunde Zeit für eine ungestörte Morgentoilette gefunden.
    Nun musste sie erst einmal die Zeitung suchen. Die lag weder auf dem Tisch noch darunter, und sie steckte auch nicht unter den reichlich gefüllten Servierplatten. Anscheinend würde sie das Personal niemals von der irrigen Vermutung abbringen, sie habe den Appetit eines Feldarbeiters. Vergeblich schaute sie sich im ganzen Frühstücksraum nach der Times um. Am Boden entdeckte sie nicht einmal ein Staubkorn. Während sie an einem süßen Brötchen kaute, ging sie in die Halle und inspizierte den Tisch, auf dem wie üblich die Post lag - ein paar Briefe, nicht sonderlich interessant, aber keine Zeitung.
    Nachdem sie die offenkundigen Möglichkeiten ausgeschöpft hatte, verspeiste sie den Rest ihres Brötchens. Dann blieb sie reglos stehen. Die Augen geschlossen, atmete sie tief durch und dachte an die Times, erblickte sie in ihrer Fantasie, nahm den scharfen Geruch der Druckerschwärze wahr, hörte das Papier rascheln, griff danach - und...
    Abrupt öffnete sie die Augen und eilte zu den Küchenräumen. Die Köchin saß in ihrem kleinen Salon und gönnte sich eine wohlverdiente Erholungspause. Unterdessen spielten die Zwillingsmädchen, ihre Gehilfinnen, im Garten mit den Kätzchen, die vor kurzem zur Welt gekommen und nun gerade alt genug waren, um sich ins Freie zu wagen. Dabei leisteten ihnen einige Lakaien Gesellschaft.
    Ruhig schaute sich Joanna in der Küche um, ihrem bevorzugten Raum im Londoner Haus ebenso wie die Küche auf Hawkforte. Sie liebte die hohe Balkendecke, die Feuerstellen zu beiden Seiten, über denen brodelnde Töpfe und Bratspieße hingen, mittels komplizierter Flaschenzüge zu bewegen, sodass man einzelne Speisen näher ans Feuer bringen oder davon entfernen konnte, je nach Bedarf. Dazwischen fanden sich steinerne Spülbecken, Marmortheken und Schränke voller glänzender Kupfertöpfe und -pfannen. Die Platte des hölzernen Arbeitstisches, der in der Mitte des Raums stand, war jahrzehntelang mit Sand gescheuert worden. Und auf dieser blank polierten Fläche lag die Zeitung.
    Wäre Royce doch auch so leicht zu finden...
    Dieser Gedanke raubte ihr den Atem, obwohl sie ihn sofort verscheuchte. Der Versuch, die besonderen Umstände ihrer außergewöhnlichen Begabung zu ergründen, erschien ihr sinnlos. Unter gewissen Umständen vermochte sie vermisste Dinge aufzustöbern. Einmal hatte sie sogar das Versteck einer Person entdeckt. Inständig hoffte sie, das ungewöhnliche Talent würde ihr helfen, ihren Bruder aufzuspüren.
    An die Tischkante gelehnt, schlug sie die Zeitungsseite auf, die sie interessierte. Die Times veröffentlichte regelmäßig umfassende Wirtschaftsnachrichten. Dazu gehörten auch Abfahrten und Ankünfte der Handelsschiffe mit Hinweisen auf die Gezeiten.
    Joannas Herz begann schneller zu schlagen. Was sie plante, war reiner Wahnsinn. Sollte sie den Fehler wiederholen, den Royce begangen

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