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Insel meiner Traeume

Titel: Insel meiner Traeume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Josie Litton
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ein Dienstbote Wache halten, weil London von Unruhen bedroht wurde - insbesondere seit die arme Bevölkerung wegen der Fabriken, die im ganzen Land gebaut wurden, den Verlust ihrer Arbeitsplätze befürchtete.
    Joanna missgönnte dem jungen Mann die Ruhepause nicht. Ganz im Gegenteil, sie seufzte erleichtert, denn er beobachtete nicht, wie sie an ihm vorbei zur Küche lief. Hastig stopfte sie Biskuits, Dörrfleisch und eine Wasserflasche in ihren Beutel. Wenn sie sich auch versucht fühlte, etwas mehr Proviant mitzunehmen - sie musste mit leichtem Gepäck reisen. Aus einem plötzlichen Impuls heraus steckte sie noch ein Tranchiermesser zwischen die anderen Sachen. Dann öffnete sie die Hintertür, die leise knarrte, und erstarrte einige Sekunden lang. Aber aus dem Nebenraum, den die Köchin bewohnte, drang kein Laut. Joanna eilte zur Gartenpforte.
    Trotz der milden Nachtluft erschauderte sie. Am Nachmittag hatte sie ihre Route mehrmals überdacht. Aber zu wissen, welchen Weg sie einschlagen musste, und ihm tatsächlich zu folgen - das war zweierlei. Im nächtlichen Dunkel verschwanden die vertrauten Anhaltspunkte. Nachdem sie aus der Hintergasse zur Straße gerannt war und sich ein paar Dutzend Schritte von der Vorderfront ihres Hauses entfernt hatte, erkannte sie fast nichts wieder.
    Doch das war zu erwarten, denn sie hatte zeit ihres Lebens immer nur wenige Tage in der Hauptstadt verbracht, die ihr gründlich missfiel. Deshalb durfte sie nicht annehmen, sie würde sich hier heimisch fühlen. Nun, zumindest kannte sie die Strecke, die sie zurücklegen wollte, also musste sie nur ihren Verstand gebrauchen und sich in die Richtung von Southwark wenden.
    Als sie den Fluss erreichte und über die Brücke zum Hafen eilte, war es ziemlich spät geworden. Ihr Herz hämmerte schmerzhaft gegen die Rippen. Atemlos rannte sie zwischen den Lagerhallen zu dem Pier, wo sie das akoranische Schiff gesehen hatte. Wenn es schon ausgelaufen war...
    Ihre Erleichterung beim Anblick des Bugs mit dem Stierkopf, den einige Fackeln beleuchteten, wurde sofort von der Angst vor ihrer eigenen Courage verdrängt. Instinktiv blieb sie im Schatten eines Lagerhauses stehen. Die rasenden Herzschläge dröhnten so laut in ihren Ohren, dass sie beinahe fürchtete, sie würden ihre Anwesenheit verraten. Jeden Moment konnte sich einer der Wachposten umdrehen, sie entdecken, und ihre Chance wäre vertan.
    An beiden Seiten des Piers stand je ein Mann, ein dritter auf der Laufplanke. Einige Besatzungsmitglieder wanderten an Deck umher. Im Nebel des frühen Morgens hatte Joanna nur festgestellt, wie groß sie waren. Jetzt sah sie, dass sie Tuniken trugen, die knapp über den Knien endeten. An den breiten Gürteln hingen glitzernde Schwertscheiden. Obwohl diese Männer den Eindruck erweckten, sie wären Geschöpfe aus einer anderen Zeit, vielleicht einem antiken griechischen Fresko entsprungen, wirkten sie beängstigend real.
    Mit einem kurzen Blick nach links und rechts vergewisserte sich Joanna, dass kein Schiff in unmittelbarer Nähe angelegt hatte. Das überraschte sie nicht. Da die mysteriöse
    Aura, die über dem befestigten Königreich lag, den Aberglauben der Seefahrer schürte, würde es kein Kapitän wagen, neben dem geschnitzten Stierkopf Anker zu werfen.
    Um diese Stunde waren die Lagerhäuser verlassen. Entlang der gewundenen Gassen von Southwark drang schwaches Gelächter aus den Tavernen. Sie wünschte, eines dieser Lokale würde etwas näher liegen. Dann müsste sie nicht so lange suchen, was sie brauchte.
    Das fand sie dennoch glücklicherweise schon nach wenigen Minuten vor einer Schenke, die halb im Erdboden versunken war, so als würde sie aus der Epoche der alten Römer stammen. In der milden Nacht saßen die Gäste im Freien, tranken Gin und Ale, würfelten im Mondlicht und tätschelten die fröhlichen Kellnerinnen.
    Eine Zeit lang beobachtete Joanna zwei junge Burschen. Nach ihrer Größe zu schließen, hätte sie die beiden in der gesunden Umgebung von Hawkforte für Zehnjährige gehalten. Aber in der verpesteten Großstadt wurde das Wachstum manchmal beeinträchtigt, und so waren sie vermutlich etwas älter. Grundsätzlich missbilligte sie es, wenn Kinder um diese Stunde nicht schliefen oder womöglich in üble Machenschaften verwickelt waren. Doch sie kannte die Wirklichkeit, und sie wusste, dass ihr Angebot diesen Jungen wie ein Himmelsgeschenk erscheinen musste.
    Trotzdem trat sie mit äußerster Vorsicht näher und wartete, bis

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