Inselglück
eingerichtet?«
»Ich«, entgegnete Connie.
»Das habe ich in meinem ganzen Leben noch nie getan«, gestand Meredith. »Wir hatten immer Samantha.« Sie wanderte zum anderen Ende des Wohnzimmers, wo Wolfs Barometersammlung die Regale zierte. »Es ist mir immer wie ein Privileg vorgekommen, weißt du, Samantha zu haben, die Sachen für uns aussucht und zusammenstellt und einen Stil für uns kreiert. Aber der war unecht, wie alles andere.« Sie strich über die Rücken von Wolfs Büchern. »Das hier gefällt mir viel besser. Dieser Raum, der ist du und Wolf und Ashlyn.«
»Ja«, sagte Connie. »Das ist er. Das war er. Es ist hart, weißt du.« Sie lächelte wehmütig. Sie war froh, nicht allein zu sein, trotzdem war es eine Qual, Meredith sagen zu hören, was für Connie unmöglich auszusprechen war. »Sollen wir runtergehen ans Wasser?«
Am Strand zu sein, war besonders hart, weil sie hier, in Anwesenheit von Wolfs Bruder Jake und seiner Frau Iris, Wolfs Asche verstreut hatte. Auch Toby war dabei gewesen, der die Trauerfeier auf Nantucket als Gelegenheit für ein letztes Besäufnis nutzte. Während Connie und Meredith im nassen Sand ihre Fußabdrücke hinterließen – es war Flut – , fragte Connie sich, wo die Überreste von Wolfgang Charles Flute sich jetzt befinden mochten. Er war ein ausgeglichener, warmherziger, liebevoller Mann von eindrucksvoller Größe – fast zwei Meter – gewesen, mit einer Baritonstimme, scharfem Verstand und einem ebenso scharfen Auge, Inhaber einer Architekturfirma, die in Washington Bürogebäude baute. Sie galten als innovativ, aber traditionell genug, um es mit den Denkmälern aufzunehmen. Er war ein vielbeschäftigter Mann gewesen, ein wichtiger Mann, wenn auch für Washingtoner Verhältnisse nicht sehr mächtig und nach den Maßstäben der Wall Street nicht besonders reich. Am meisten geschätzt hatte sie an Wolf die Ausgewogenheit, mit der er allen Aspekten seines Lebens Aufmerksamkeit schenkte. Er half Ashlyn bei den verzwicktesten Schulprojekten, er mixte die köstlichsten Martinis, er war ein Ass auf dem Einrad (das zu fahren er als Student gelernt hatte) sowie beim Paddleball, Tennis und Segeln. Er sammelte antike Sextanten und Barometer. Er hatte Astronomie studiert und glaubte, dass der Mensch aus der Anordnung der Sterne am Himmel etwas über irdisches Design lernen könne. Wolf war für Connie stets emotional präsent gewesen, auch wenn er unter Termindruck stand. An Tagen, an denen er sehr lange arbeiten musste – davon hatte es im Monat zwei, drei gegeben – , schickte er ihr Blumen oder lud sie in sein Büro zu einem Dinner mit Essen vom Inder und Kerzen ein. Wenn Connie mit ihren Freundinnen ins Restaurant ging, hatte er immer schon den besten Wein vorbestellt, und die anderen Frauen flöteten dann, was Connie doch für ein Glück habe.
Doch wo war Wolf jetzt? Er war an einem Gehirntumor gestorben, und Connie war seinem Wunsch nachgekommen, ihn einäschern zu lassen und seine Asche am Strand von Tom Nevers zu verstreuen. Die Ascheflocken hatten sich in Moleküle aufgelöst, die sich mit dem Meerwasser verbanden. Der Körper, den Wolf bewohnt hatte, war demnach verschwunden, in die Natur zurückgekehrt. Aber für Connie war er irgendwo hier, in diesen Wellen, die ihr um die Knöchel schwappten.
Meredith watete bis zu den Schienbeinen hinein. Connie fand das Wasser noch zu kalt, Meredith dagegen schien es zu genießen. Ihr Gesichtsausdruck spiegelte irgendetwas zwischen Entzücken und Verzweiflung. Sie sprach wie mit tränenerstickter Stimme, obwohl ihre Augen, wie die New York Post betont hatte, trocken blieben.
»Ich hätte nie gedacht, dass ich meine Füße noch mal ins Meer strecke.«
Connie nickte.
»Wie kann ich dir dafür danken?«, sagte Meredith. »Ich habe nichts.«
Connie umarmte Meredith. Sie war winzig wie eine Puppe. In ihrer Highschoolzeit hatten sie sich bei einer Party einmal so betrunken, dass Connie Meredith huckepack nach Hause hatte tragen müssen. »Ich will nichts«, sagte sie.
Es war eine Situation wie aus Freundinnen hier unten am Wasser, dachte Connie, und sie fand es wirklich schön, dass sie Gesellschaft hatte und dass Meredith ihr jetzt ein Leben lang dankbar sein würde, aber zugleich wurde ihr auch die Ungeheuerlichkeit dessen klar, was sie getan hatte. Ihre beste Freundin aus Kindertagen war mit dem größten Ganoven verheiratet, den die Welt je gesehen hatte, und überall Persona non grata. Sie hatte Millionen Kritiker und
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