Inselglück
nicht mehr getragen hatte. Connie freute sich, dass sie es heute wagte, und außerdem stand es ihr gut. Die Sonne beleuchtete sie wie eine Statue. Dies war Wolfs Lieblingstageszeit gewesen. Der Raum fing an, sich zu drehen, aber nein, Connie hatte keine Zeit. Wasser für Hummer und Mais, Salatdressing, Tisch decken. Hummerzangen und -gabeln heraussuchen. Sie wünschte, sie hätten Blaubeerpie.
Um Schlag sieben klopfte es an die Tür. Dan war einer von den Pünktlichen. Auch Wolf hatte sich um Pünktlichkeit bemüht, was aber ständig von Connie vereitelt worden war. Das lag in der Familie: Ihre Eltern hatten sich regelmäßig verspätet. Ich werde noch zu spät zu meiner eigenen Beerdigung kommen, hatte Veronica immer gesagt. Wolf hatte das sehr erbost, und so ungern Connie es auch zugab, sie hatten sich deswegen oft gestritten. Connie nahm einen stärkenden Schluck von ihrem Drink, obwohl sie schon verschwommen sah und ihr wiederholt die Fersen aus den Espadrilles rutschten. Das Wasser für den Mais und die Hummer kochte – zu früh, wenn sie vorher eine richtige Cocktailstunde einlegen wollten – , aber der Salat sah frisch und knackig aus, und das Dressing war fertig, wenn Connies Fingerspitzen jetzt auch nach Knoblauch rochen. Meredith hatte den Tisch für drei gedeckt.
Dan klopfte noch einmal. Connie eilte zur Tür und wäre fast umgeknickt. Blöde Schuhe.
Sie öffnete, und da war Dan, frisch geduscht und attraktiv in weißem Hemd und Jeans, ein Outfit, das Connie an jedem Mann liebte. Er hielt eine Gebäckschachtel in der einen und eine große Papiertüte mit den Hummern in der anderen Hand und streckte ihr die Schachtel entgegen.
»Zum Nachtisch«, sagte er.
Connie klappte den Karton auf. Er enthielt eine Blaubeerpie.
»Oh!« Sie sah Dan an und dachte: Unglaublich, der Mann hat meine Gedanken gelesen. Das war mehr als ein Glückstreffer; es musste Schicksal sein. Sie waren Seelenverwandte. Dan wusste, dass zu einem Hummeressen Blaubeerpie gehörte. »Vielen Dank!«
Sie trat einen stolpernden Schritt zurück und hätte das Gleichgewicht verloren, wenn Dan sie nicht am Arm gepackt hätte. »Meine Güte, diese Schuhe!«, sagte sie. »Ich ziehe sie lieber aus, ehe ich mir noch das Genick breche, komm rein, hallo.« Sie beugte sich vor, um ihn zu küssen, und hoffte auf einen Kuss wie den, den er ihr am Morgen gegeben hatte, doch dieser jetzt war knapp und gleichgültig. Irgendwie schien Dan inzwischen weniger bezaubert von ihr zu sein. Womöglich war er gar nicht gekommen, weil er Lust dazu hatte, sondern aus Pflichtgefühl, weil er ihnen die Hummer bringen musste.
Während Connie der Küche zustrebte, überlegte sie, was sie wohl getan hatte, um ihn zu verprellen. Vielleicht hatte er einfach festgestellt, dass er sie nicht mochte. Aber sie mochte ihn; es gefiel ihr, dass er pünktlich war, dass er Blaubeerpie mitgebracht hatte.
»Kann ich dir was zu trinken holen?«, fragte sie.
»Klar. Hast du Bier?«
Schon wieder Bier. An Bier hatte Connie nicht gedacht. Sie schaute in den Kühlschrank und fand Gott sei Dank ganz hinten zwei grüne Flaschen Heineken, gekauft von einem ihrer Gäste, vermutlich Toby, bevor er endgültig abstinent wurde. Toby hatte sogar nach seinem ersten Entzugsversuch noch Bier getrunken, denn Bier sei kein Alkohol, behauptete er. Biertrinken sei wie Safttrinken, wie Milchtrinken. Toby war Alkoholiker, ohne Wenn und Aber, wie ihre Mutter Veronica es gewesen war, mittlerweile allerdings trocken. Connie holte ein Bier heraus, öffnete es, goss es in ein Glas und sah zu, wie es den Rand auf die Küchentheke schäumte.
Dan war mit Meredith draußen auf der Terrasse und bewunderte das Meer. Meredith zeigte auf Harolds dunklen Kopf. Sie sagte etwas, und Dan lachte. Wieder fragte sich Connie, ob Dan Meredith anziehend fand. Vielleicht passten sie besser zueinander. Doch das war albern. Connie freute sich, Meredith draußen auf der Terrasse zu sehen. Seit dem Foto hatte sie sich nicht mehr dorthin gewagt. Connie nahm an, sie fühlte sich sicherer, weil Dan dabei war. Ein Mann.
Connie gesellte sich zu ihnen. Sie reichte Dan sein Bier, und alle drei prosteten sich zu.
»Vielen Dank für den schönen Tag«, sagte Meredith.
Connie holte Luft, um in das Lob einzustimmen, aber ihr fiel nichts ein, also lächelte sie nur. An der Merion Mercy Academy war es populär gewesen, mit einem Buch auf dem Kopf gehen zu üben, um eine gute Körperhaltung zu fördern. Connie fühlte sich, als balanciere
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