Inselglück
Erinnerung daran – auf Dauer, dachte sie – aus ihrem Gedächtnis verbannt.
Sie stellte ihren Wein in einen der runden Getränkehalter, die praktischerweise überall angebracht waren, kletterte auf den Bootsrand und tauchte ins Meer. Platsch! Wieder kam das Wasser zu schnell. Ihre Lunge und ihr aufgeschürftes Knie brannten. Sie ließ sich in der Kühle treiben und pinkelte; welch eine Erleichterung. Sie wusste, dass unter ihr Leben war – zunächst einmal all die Hummer und wahrscheinlich eine Menge anderer finsterer Kreaturen. So weit draußen wie hier vielleicht sogar Haie. Doch der Wein und das Nickerchen hatten Connie so lethargisch gemacht, dass sie Lust verspürte, eine Minute unter Wasser zu verweilen.
Vor sechs oder sieben Jahren hatte Freddy ihr einen Cocktail auf die Terrasse des Hauses am Cap d’Antibes gebracht. Wolf war joggen gewesen und Meredith in der Stadt unterwegs, um in einem Antiquitätenladen einen zweiten Blick auf etwas zu werfen, das sie eventuell kaufen wollte. Dieser Teil der Geschichte leuchtete Connie in ihrer Erinnerung ein, aber dass Freddy ihr einen Cocktail gebracht hatte – einen sehr kalten, sehr leckeren Gin Tonic mit viel Limette – , war überraschend gewesen, denn Freddy trank nicht. Also war dieser Drink der Auftakt zu einem Flirt; das ahnte Connie sofort. Außerdem war sein Gesichtsausdruck verräterisch. Connie hatte sich bei Besuchen bei den Delinns – ob in Manhattan, Palm Beach oder Frankreich – immer unsicher gefühlt, wegen deren Reichtum, vermutete sie. Es war unmöglich, es mit all dem Luxus aufnehmen zu können, und um das zu kompensieren, protzte Connie mit ihrer Schönheit. An jenem Abend war sie bereits fürs Dinner angezogen. Sie trug ein langes Kleid in Orange und Pink mit einem tiefen Ausschnitt, der ihren Busen zur Geltung brachte. Zu Hause in Amerika hätte Connie es nur privat für Wolf getragen. Doch das hier war Südfrankreich, wo alle fest entschlossen schienen zu zeigen, was sie hatten.
Freddy war noch im Bademantel. Er schaute anerkennend auf Connies Brüste und ließ zu, dass sie ihn dabei ertappte, was sie ziemlich unverschämt fand. Er reichte ihr den Drink, sie nippte daran, und zusammen stützten sie sich auf das Geländer, von dem man die Felsen hinab aufs Mittelmeer blickte.
Er wandte sich zu ihr, und sie wollte ihn, um ins Gespräch zu kommen, gerade fragen, welcher Herkunft der Name Delinn sei, als Freddy sagte: »Du bist eine unglaublich schöne Frau, Constance.«
Connie war sprachlos und reagierte nur mit einem knappen Nicken. Es war nicht so sehr die Wahl seiner Worte, die ihr bemerkenswert erschien – die Leute hatten ihr stets gesagt, dass sie schön sei – , sondern deren Tonfall. Sie hatten zielstrebig geklungen, als wollte er sie im nächsten Moment in sein Schlafzimmer hinauftragen und verführen. Und er hatte sie mit ihrem vollen Namen angesprochen, Constance, was das Gefühl in ihr weckte, etwas Besonderes zu sein. Und jetzt beugte er sich vor und küsste sie und umfasste mit flinker Hand ihre eine Brust, die von der Seide ihres Kleides nur dünn verhüllt war. Sie verspürte einen Stich der Erregung und gab ein leises Keuchen von sich. Doch dann lösten sie und Freddy sich voneinander und starrten sich eine intensive, heiße Sekunde lang an, bevor Connie die Terrasse verließ. Sie nahm ihren Drink mit hinauf ins Gästezimmer, wo sie sich aufs Bett setzte und auf Wolfs Heimkehr wartete.
Woran Connie sich jetzt noch erinnerte, war Freddys Dreistigkeit, seine Autorität, die selbstverständliche Anmaßung, mit der er sie geküsst und ihren Körper berührt hatte. Er hatte keinerlei Skrupel gehabt, sich etwas zu nehmen, was ihm nicht gehörte.
Connie spürte Arme, die sie umschlangen, und wand sich verwirrt und erschrocken. Sie wurde aus dem Wasser gezogen.
»Was ist?«, würgte sie hervor.
Dan war hinter ihr und hielt sie fest unter den Achseln gepackt. »Mein Gott«, sagte er, »ich dachte, du wärst am Ertrinken.«
»Am Ertrinken?«
»Du bist ziemlich nah an unseren Angelschnüren reingefallen.«
Vom Bootsrand her winkte Meredith Connie zu. »Alles in Ordnung?«
»Ich bin nicht reingefallen«, sagte Connie. »Ich bin gesprungen.«
»Ich habe nur einen Platscher gehört«, gab Dan zu. »Aber du hast so viel Wein getrunken, da habe ich mir Sorgen gemacht.«
So viel Wein?, dachte Connie.
»Es geht mir gut«, versicherte sie ihm und schwamm von ihm weg auf die Leiter zu. Da war der Name wieder: Nicky. Gott,
Weitere Kostenlose Bücher