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Inselkoller

Inselkoller

Titel: Inselkoller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reinhard Pelte
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er darauf reagieren
sollte. Auf keinen Fall durfte er sie korrigieren.
    »Frau Bongard, geben Sie mir Gelegenheit, Ihnen
zu beweisen, dass es bei der Polizei nicht nur bornierte Neunmalkluge gibt.«
    »Das habe ich nicht gesagt, aber es freut mich,
dass Sie höflich zu erkennen geben, dass es unter Umständen etwas zu wissen geben
könnte, was die Polizei nicht schon immer gewusst hat. Ich will Ihnen gerne helfen.
Diese Woche geht es nicht. Ich melde mich bei Ihnen, wenn ich einen Tag freinehmen
kann. Und planen Sie bitte ebenso viel Zeit ein. Unter welcher Nummer kann ich Sie
erreichen?«
    Er gab ihr seine Telefonnummer, und sie verabschiedeten
sich voneinander. Jung legte den Hörer sinnend aus der Hand. Einen Tag lang reden,
was musste da los sein? Jung sah auf seine Armbanduhr, eine Prämie für das Abonnement
der Tageszeitung Die Welt, und stellte fest, dass er sich langsam auf den Weg zu
seinem Treffen mit Dr. Bär machen musste.
     
    Der Südermarkt liegt nicht weit weg von der Polizei-Inspektion. Jung
konnte ihn leicht in zehn Minuten zu Fuß erreichen. Sein Weg führte ihn durch die
Fußgängerzone der Stadt. In Augenhöhe sah er in die Schaufenster von Bäckereien,
Schuhläden, Ladenketten, die er zum Beispiel in Kassel neulich genauso gesehen hatte
und die die Einkaufsstraßen der Innenstädte zum Verwechseln ähnlich machten. Nur
wenn er den Blick hob, sah er die alten Giebel und Fassaden der Häuser, die Flensburg
ansehnlich und zu etwas Besonderem machen. Die gerade fertiggestellte Südermarktpassage,
die die Geröllwüste aus halben Ruinen, Steinen, Beton und Parkplätzen zwischen dem
Markt und Süderhofenden geschlossen hatte, fügte sich gekonnt, wie Jung fand, in
das alte Ensemble der Marktbebauung ein. Der Markt hatte durch die aufgenommenen
Geschäfte seinen Charakter nicht verloren. Seinen nördlichen Abschluss bildete die
Nikolaikirche. Sie gab dem Platz ein bürgerliches Flair: wohnlich, gemütlich und
häuslich.
    Jung wartete unter den Kolonnaden am Eingang
zur Friesischen Straße. Er fragte sich stirnrunzelnd, wie er den Arzt erkennen könnte.
In diesem Moment steuerte ein kleiner, drahtiger, gepflegter und gut gekleideter
Mann zielsicher auf ihn zu, so, als kenne er ihn schon von irgendwoher. Er begrüßte
ihn mit fragendem Unterton in der Stimme: »Herr Jung?« Er blickte ihn an, als wolle
er auch noch seine Amtsbezeichnung oder seinen Titel in Erfahrung bringen.
    »Kriminalrat Jung, angenehm.«
    »Bär, angenehm. Kein Oberinspektor oder Hauptkommissar,
das ist ja mal was ganz Neues.«
    »Ungewöhnlich, ich gebe es zu.«
    »Was machen wir nun? Ich schlage vor, wir gehen
um die Ecke in die Rote Straße und essen eine Kleinigkeit bei ›Braasch Gegenüber‹.
Was halten Sie davon?«
    »Ausgezeichnet, ich esse gerne dort, öfter,
als es meinem Geldbeutel guttut.«
    »Ja, es ist nicht billig. Aber das ist relativ.
Für gutes Handwerk, gepaart mit Geschmack, zahle ich fast jeden Preis. Davon werde
ich nicht ärmer, so selten, wie das vorkommt.«
    Bär sprach Jung aus der Seele. Er erwärmte
sich bei dem Gedanken, die Mittagspause in Bärs Gesellschaft verbringen zu können.
Auch freute er sich auf die kleine Köchin.
     
    Vor einem Jahr hatte sie in dem kleinen Feinkostlädchen mit angegliedertem
Bistro angefangen. Es bot italienische, vornehmlich sardische Spezialitäten zum
Kauf und zum Essen an. Anfangs stand sie wortlos, fast schüchtern neben dem beleibten
Juniorchef und sah ihm beim Kochen über die Schulter. Später reichte sie ihm zu,
fragte nach wie vor schüchtern das eine oder andere und ließ sich von ihm einweisen.
Noch später hatte sie zurückhaltend und unauffällig den Platz am Herd eingenommen.
Dann nahm sie die ersten Kontakte zum Publikum auf, lauschte den Wünschen der Kunden
mehr, als dass sie danach fragte oder gar Empfehlungen gab. Allmählich füllte die
kleine Person den Laden mehr und mehr aus. Ihr guter Geist teilte sich in allem
mit, was es zu sehen, zu kaufen und zu kosten gab. Sie machte den Juniorchef vergessen
und hatte bald eine eigene, weibliche Hilfe an ihrer Seite, die sie ruhig und bestimmt
dirigierte.
     
    »Na prima«, bemerkte Bär, als sie das Bistro betraten. »Der Laden ist
leer. Man könnte unserer Unterhaltung von den Nebentischen unschwer folgen. Aber
ich habe ohnehin nicht vor, furchtbare Geheimnisse auszuplaudern.«
    Sie begrüßten die kleine Köchin freundlich.
Ihr war anzumerken, dass sie sich ebenfalls freute, sie bewirten zu dürfen.

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