Inseln im All -: Roman (German Edition)
die Bruchstücke lagen in Haufen herum. Es war schwer zu begreifen, was das bedeutete, falls wir nicht annahmen, dass jenes Geschöpf seine Nahrung unter diesen Felsbrocken fand.
Ich sammelte ein paar Gesteinsproben für eine spätere Untersuchung ein, während Glynne die Steinhaufen fotografierte und dem Schiff über die Entdeckung berichtete. Dann begannen wir das Gebiet zu durchsuchen, wobei wir aber immer dicht zusammenblieben, um einer auftauchenden Gefahr wirksamer begegnen zu können. Die Geröllhalde war etwa anderthalb Kilometer breit. Es sah so aus, als ob die ganze Bergwand an dieser Stelle zusammengebrochen und heruntergerutscht wäre. Wir fragten uns, was diesen Einsturz verursacht haben könnte; denn es gab hier keinerlei Wettereinwirkung. Da das Gestein nicht verwitterte, konnten wir auch nicht abschätzen, wann sich dieser Bergrutsch ereignet hatte. Es mochte vor einer Million oder auch einer Milliarde Jahren geschehen sein.
Stellt euch vor, wie wir drei da durch das Gewirr von Gesteinstrümmern kletterten, während Erde und Venus wie zwei strahlende Leuchtfeuer über uns glänzten und die Lichter unseres Schiffes drüben am Horizont beruhigend leuchteten. Inzwischen war ich zu dem Schluss gekommen, dass dieses Merkurwesen eine Art Gesteinsfresser sein musste – schon allein deshalb, weil es auf diesem trostlosen Planeten offenbar keine andere Nahrung gab. Ich wünschte mir, ich hätte genug über Mineralien gewusst, um entscheiden zu können, um was für eine Substanz es sich hier handelte.
Dann hörte ich plötzlich Glynnes aufgeregtes Rufen in meinen Kopfhörern.
›Dort ist es!‹, schrie er. ›Dort drüben bei der Klippe!‹
Einen Augenblick lang standen wir einfach reglos da und starrten hinüber. Zum ersten Male erblickte ich ein Merkurwesen genauer. Es sah eher wie eine riesige Spinne aus – oder vielleicht wie eine von jenen Krabben mit langen dürren Beinen. Sein Rumpf war kugelförmig; es hatte einen Durchmesser von etwa einem Meter und war von silbrigweißer Farbe. Zuerst dachten wir, das Geschöpf hätte vier Beine, aber später entdeckten wir, dass es tatsächlich acht waren; vier Reservebeine waren eng an den Körper gepresst. Sie wurden dann benutzt, wenn die unglaubliche Kälte des Felsbodens durch die isolierende Hornmasse, aus der die Füße oder Hufe bestanden, zu weit emporkroch. Wenn ein Merkurwesen also ›kalte Füße‹ bekam, dann setzte es einfach die Reservebeine ein und zog die anderen an.
Es hatte außerdem noch zwei armartige Gliedmaßen, mit denen es im Augenblick geschäftig zwischen den Felsen herumsuchte. Sie endeten in hornigen Klauen oder Zangen, die nicht ungefährlich aussahen. Einen richtigen Kopf hatte das Geschöpf nicht, nur eine kleine Beule oben auf seinem kugelförmigen Körper. Später entdeckten wir, dass diese Ausbuchtung vier Augen beherbergte – zwei große, die im schwachen Sternenlicht der Nachtseite gebraucht wurden, und zwei kleine für Ausflüge in die heller erleuchtete Dämmerzone, in der die empfindlichen großen Augen fest verschlossen blieben.
Wir beobachteten fasziniert, wie sich die plumpe Kreatur zwischen den Felsen hin und her bewegte. Ab und zu hielt das Geschöpf an, hob einen Felsbrocken auf und zermalmte ihn mit diesen sehr wirkungsvoll aussehenden Klauen. Dann zuckte aus dem Rumpf etwas heraus, was vielleicht eine Zunge sein mochte – viel zu schnell, als dass man es richtig hätte sehen können –, und das Gesteinspulver wurde aufgeschleckt und verschlungen.
›Was für ein Material mag das sein?‹, fragte Borell. ›Es scheint ein ziemlich weiches Gestein zu sein. Ob es wohl eine Art Kreide ist?‹
›Kaum‹, erwiderte ich. ›Die Farbe ist anders, und Kreideformationen bilden sich nur auf dem Grund von Meeren. Auf dem Merkur aber hat es nie freies Wasser gegeben.‹
›Versuchen wir doch mal, näher heranzukommen‹, sagte Glynne. ›Von hier aus kann ich keine gute Aufnahme machen. Das Biest sieht zwar einigermaßen scheußlich aus, aber ich glaube nicht, dass es uns gefährlich werden könnte. Wahrscheinlich wird es eiligst davonlaufen, sobald es uns erblickt.‹
Ich packte die Leuchtpistole fester und sagte:
›Also gut – gehen wir los. Aber bewegt euch langsam und bleibt sofort stehen, sobald uns das Geschöpf entdeckt.‹
Wir konnten uns bis auf dreißig Meter nähern, bevor das Wesen Notiz von uns nahm. Dann drehte es sich auf seinen langen Stängelbeinen herum, und ich sah seine großen Augen, die
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