Inseln im All -: Roman (German Edition)
uns in dem schwachen Venuslicht anblickten.
›Soll ich das Blitzlicht benutzen?‹, fragte Glynne. ›In diesem Licht kann ich ohne Blitz kein gutes Bild aufnehmen.‹
Ich zögerte einen Moment – aber dann gab ich meine Zustimmung. Das Wesen zuckte zusammen, als die kurze Lichtexplosion aufflammte, und ich hörte Glynne befriedigt seufzen. ›Ein gutes Bild hätten wir jedenfalls! Ob ich noch eine Nahaufnahme machen kann?‹
›Nein‹, sagte ich. ›Wir würden das Geschöpf entweder verscheuchen oder es aufreizen, was schlimmer sein könnte. Mir gefallen diese Klauen gar nicht. Wir wollen lieber versuchen, es von unseren freundlichen Absichten zu überzeugen. Bleibt ihr hier stehen; ich werde näher herangehen. Dann hat es keinen Grund, zu glauben, dass wir es einfangen wollen.‹
Nun, ich glaube auch heute noch, dass die Idee gut war, aber damals wusste ich noch nicht viel von den Sitten und Gebräuchen der Merkurwesen. Während ich langsam vorwärtsschritt, schien das Geschöpf steif zu werden – so wie ein Hund, der einen Knochen verteidigt – und wahrscheinlich auch aus demselben Grund. Es streckte sich zu seiner vollen Höhe empor, die immerhin fast zweieinhalb Meter ausmachte, und der Rumpf schaukelte ein wenig vor und zurück – fast so wie ein Fesselballon im Wind.
›Komm zurück!‹, rief Borell. ›Es scheint beunruhigt und ärgerlich zu sein. Wir wollen lieber nichts riskieren.‹
›Ich habe auch nicht die Absicht‹, antwortete ich. ›Es ist zwar nicht so einfach, in einem Raumanzug rückwärts zu laufen, aber ich werde es jetzt versuchen.‹
Ich hatte mich bereits ein paar Meter zurückgezogen, als das Wesen plötzlich – ohne dabei seine Stellung zu verändern – einen seiner Arme ausstreckte und einen Felsbrocken ergriff. Die Bewegung war so menschlich, dass ich genau wusste, was nun geschehen würde, und instinktiv hob ich meinen linken Arm schützend vor die Sichtscheibe meines Helms. Einen Moment später traf etwas mit einem schmetternden Schlag den unteren Teil meines Raumanzuges. Ich war nicht verletzt, aber der ganze Panzeranzug vibrierte einen Moment lang wie ein Gong. Ein paar angsterfüllte Sekunden lang hielt ich den Atem an und wartete auf das verhängnisvolle Zischen entweichender Luft. Aber der Anzug war dicht geblieben, obwohl er eine tiefe Einbuchtung an meinem linken Oberschenkel aufwies. Das nächste Mal würde ich vielleicht nicht so gut wegkommen, dachte ich, und so entschloss ich mich, meine ›Waffe‹ zu benutzen, um das Biest dadurch abzulenken.
Die blendend weiße Leuchtrakete stieg langsam empor und überflutete die Landschaft mit ihrem harten, grellen Licht. Und dann geschah etwas, was wir erst viel später verstehen sollten. Ich hatte schon vorher zwei Ausbuchtungen rechts und links am Rumpf des Merkurwesens bemerkt, und jetzt öffneten sie sich plötzlich wie die Flügeldecken eines Käfers. Zwei große schwarze Schwingen entfalteten sich – Flügel auf dieser fast atmosphärelosen Welt! Ich war so verblüfft, dass ich einen Augenblick ganz vergaß, mich weiter zurückzuziehen. Dann brannte die Leuchtrakete langsam aus, und als sie erloschen war, falteten sich die samtenen Flügel wieder zusammen und zogen sich in ihre Gehäuse zurück.
Das Wesen machte keinen Versuch, uns zu folgen, und wir stießen bei diesem Erkundungsgang auch auf keine anderen mehr. Wie ihr euch vorstellen könnt, waren wir äußerst verblüfft, und unsere Kameraden im Schiff trauten ihren Ohren nicht, als wir ihnen durch Radio erzählten, was sich ereignet hatte. Jetzt, da wir die Erklärung für die rätselhafte Existenz dieses Wesens kennen, erscheint sie uns natürlich ganz einfach; das ist ja immer so.
Diese Schwingen, die wir gesehen hatten, waren eigentlich gar keine Flügel, wenn sie das auch vor vielen Zeitaltern gewesen waren, als der Merkur noch eine Lufthülle hatte. Das Geschöpf, das ich entdeckt hatte, war eins der wunderbarsten Beispiele für die Anpassungsfähigkeit des Lebens, die wir im ganzen Sonnensystem kennen. Seine Heimat ist eigentlich die Dämmerzone, aber da die Mineralien, von denen es sich nährt, dort erschöpft sind, muss es auf Nahrungssuche weit in die Nachtzone vordringen. Sein Körper hat sich so entwickelt, dass es der dort herrschenden unglaublichen Kälte standhalten kann. Aus diesem Grund ist es auch silberweiß, weil diese Farbe am wenigsten Wärme abgibt. Trotzdem aber kann das Geschöpf nicht unbegrenzt lange auf der Nachtseite bleiben,
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