Inseln im All -: Roman (German Edition)
Ruhe schmecken. Es war ein neues Erlebnis, das ich bis zur Neige auskosten wollte. Ein Frühstück im Bett gab es für mich ohnehin selten genug, aber es an Bord einer Raumstation zu genießen, das war wirklich etwas Besonderes.
Als ich mich dann angezogen hatte, brach ich auf, um meine Umgebung zu erforschen. Zuerst musste ich mich vor allem daran gewöhnen, dass der Fußboden überall gewölbt war. Natürlich musste ich mich ebenso daran gewöhnen, dass es überhaupt einen Fußboden gab, nachdem ich so lange ohne »oben« und »unten« ausgekommen war. Der Grund für die Wölbung war einfach zu begreifen. Ich befand mich jetzt in einer riesigen zylinderförmigen Trommel, die sich langsam um ihre eigene Achse drehte. Die Zentrifugalkraft – dieselbe Kraft, die auch die Station auf ihrer Bahn am Himmel hielt – war hier am Werke und zog mich gegen die Außenwand dieser rotierenden Trommel, und die Zwischenwand des Stockwerksektors wurde dadurch zum Fußboden. Wenn man in einem Korridor parallel zum Außenrand der Station geradeaus ging, konnte man durch das ganze Stockwerk laufen und kam wieder zum Ausgangspunkt zurück. An jeder Stelle dieses Weges war »oben« die Richtung zur Mittelachse der Station. Wenn ich einen Menschen in einer Entfernung von einigen Metern sah – ein Stück weiter in Richtung der Kurvenkrümmung –, dann erschien er mir so, als ob er schräg gegen mich geneigt dastünde. Er jedoch empfand seine Stellung als ganz normal senkrecht, und für ihn stand ich schräg geneigt da. Zuerst war das ziemlich verwirrend, aber wie an so vieles andere gewöhnte man sich nach einiger Zeit auch daran. Die Innenarchitekten der Station hatten ein paar gescheite Tricks angewendet, um durch eine entsprechende Dekoration der Räume diese Krümmung ein wenig zu vertuschen, und in den kleinen Zimmern war die Krümmung des Fußbodens so gering, dass man sie kaum wahrnahm.
Die Stationstrommel war in drei ringförmige Schichten aufgeteilt, die ineinandergeschaltet waren. Wenn man von der Achse aus gegen den Außenrand der Trommel vorrückte – also dem Gefühl nach »abwärts« stieg –, nahm die Gewichtsempfindung zu. Die innerste Ringschicht war das Stockwerk, in dem ein Drittel der Erdschwerkraft herrschte; da es den Luftschleusen an der Achse der Station am nächsten lag, wurde es hauptsächlich für die Unterbringung der neu ankommenden Passagiere und die Gepäckaufbewahrung benutzt. Es hieß, wenn man sich lange genug im Empfangsraum dieses Stockwerks aufhielt, dann würde man jede bedeutende Persönlichkeit von den vier Planeten zu Gesicht bekommen.
Das innerste Stockwerk war konzentrisch von einer geräumigeren Ringschicht umgeben – dem Stockwerk mit »Zwei Drittel Erdschwerkraft«. Dieses zweite Stockwerk konnte man entweder mit einem Lift erreichen oder über seltsam gewundene Treppen. Es war ein sonderbares Erlebnis, eine von diesen Treppen hinabzusteigen. Es erforderte zuerst ziemlich viel Willenskraft, denn ich hatte mich bis jetzt noch nicht einmal richtig an ein Drittel meines Normalgewichts gewöhnt. Während ich langsam die Stufen hinunterschritt, wobei ich mich fest an das Geländer anklammerte, schien ich bei jedem Schritt schwerer zu werden. Als ich schließlich das zweite Stockwerk erreicht hatte, waren alle meine Bewegungen so langsam und bleiern schwer, dass ich überzeugt war, jedermann müsste mich deswegen anstarren. Ich gewöhnte mich jedoch bald an dieses Gefühl. Ich musste es ja auch, wenn ich wieder zur Erde zurückwollte.
Die größere Anzahl Passagiere befand sich in diesem Stockwerk mit »Zwei Drittel Erdschwerkraft«. Die meisten von ihnen waren auf der Heimreise vom Mars, und wenn sie auch während der letzten Wochen der Fahrt schon die normale Erdschwerkraft erlebt hatten – dank der Eigenrotation des Raumschiffs –, so schien ihnen dieser Zustand doch noch keineswegs zu behagen. Sie bewegten sich sehr steif und fanden immer wieder eine Ausrede, um »hinauf« ins oberste Stockwerk gehen zu können, wo die Schwerkraft ungefähr so stark war wie auf dem Mars.
Ich war noch nie zuvor Marskolonisten begegnet, und sie beeindruckten mich sehr. Ihre Kleidung, ihre Sprache – alles an ihnen war irgendwie seltsam fremd, obwohl es schwierig zu sagen war, worin nun diese Fremdheit eigentlich bestand. Sie schienen sich alle beim Vornamen zu kennen und anzureden. Nach einer so langen Reise war das vielleicht nicht weiter erstaunlich, aber später fand ich heraus, dass es auf dem
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