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Inseln im Strom

Inseln im Strom

Titel: Inseln im Strom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernest Hemingway
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sei nicht froh oder traurig, ob ich trinke oder nicht trinke.»
    «Okay, Tom. Aber ich mag’s nicht sehen, wenn du auf dir herumreitest, wie wenn ein Pferd auf einem Pferd reitet. Warum bist du eigentlich nicht ein Zentaur geworden?»
    «Was weißt du von Zentauren?»
    «Ich hab was darüber gelesen, Tom. Ich bin belesen. Ich bin sehr belesen für meine Jahre.»
    «Du bist ein alter, braver Schweinehund», sagte Thomas Hudson zu ihm. «Und jetzt hau ab und mach, was ich gesagt habe.»
    «Jawohl, Sir. Tommy, läßt du mich, wenn die Reise vorbei ist, eines von deinen Seebildern kaufen, die du draußen in deinem Laden hast?»
    «Hol mich nicht durch die Scheiße.»
    «Ich meine es ernst. Ich glaub manchmal, das hast du gottverdammich noch gar nicht begriffen.»
    «Vielleicht. Vielleicht hab ich das mein Leben lang nicht begriffen.»
    «Tommy, ich mach ja gerne einen Spaß. Aber du hast sie prima gehetzt.»
    «Das werden wir morgen sehen. Sag Henry, er soll einen Drink herauf bringen, aber keinen für mich.»
    «Nein, Tommy. Was uns heut nacht passieren kann, ist ein ganz gewöhnliches Gefecht, und ich glaub nicht mal, daß es dazu kommt.»
    «In Ordnung», sagte Thomas Hudson. «Schick mir den Drink rauf. Und verschwinde jetzt. Geh an deine Arbeit.»

20
    Henry langte die beiden Gläser herauf und kam dann selber auf die Brücke. Er stand neben Thomas Hudson und beugte sich vor, um den Schatten der fernen Inseln zu sehen. Ein dünner Mond, im ersten Viertel, stand am westlichen Himmel.
    «Ich trinke auf dich, Tom», sagte Henry. «Ich hab nicht über die linke Schulter geguckt, als ich den Mond sah.»
    «Es ist schon die zweite Nacht. Er war gestern schon da.»
    «Ich weiß. Aber gestern haben wir ihn wegen der Regenböen nicht gesehen.»
    «Das ist wahr. Was machen die anderen unten?»
    «Es geht ihnen erstklassig, Tom. Sie arbeiten alle und sind in Stimmung.»
    «Und Willie und Ara?»
    «Sie haben ein bißchen Rum getrunken und sind aufgekratzt, aber sie trinken nicht weiter.»
    «Das ist gut.»
    «Ich bin elend gespannt», sagte Henry. «Willie auch.»
    «Ich nicht. Aber dazu sind wir hier. Wir brauchen Gefangene, Henry.»
    «Ich weiß.»
    «Sie werden sich nur nicht ergeben wollen, wegen dieser Schweinerei, die sie auf der Massakerinsel angerichtet haben.»
    «Du drückst das ziemlich vorsichtig aus», sagte Henry. «Glaubst du, daß sie uns heute nacht zu entern versuchen?»
    «Nein. Aber wir müssen uns klar halten für den Fall, daß sie’s tun.»
    «Wir sind klar. Was werden sie deiner Ansicht nach wirklich machen, Tom?»
    «Ich weiß es nicht, Henry. Wenn sie sehr verzweifelt sind, werden sie versuchen, uns das Schiff wegzunehmen. Wenn sie noch einen Funker haben, könnte er unseren Sender in Ordnung bringen, und sie brauchten bloß hinüber nach Anguilla zu gehen und ein Taxi zu rufen, das sie nach Hause bringt. Sie haben also alle Veranlassung, auf ein Schiff aus zu sein. Es kann ja jemand in Havanna geredet haben, und sie wissen vielleicht, wer wir sind.»
    «Wer sollte geredet haben?»
    «Man soll nicht schlecht von Toten reden», sagte Thomas Hudson, «aber ich fürchte, daß er’s getan haben könnte, wenn er einen weg hatte.»
    «Willie behauptet es steif und fest.»
    «Weiß er etwas?»
    «Nein. Er behauptet es nur.»
    «Es ist eine Möglichkeit. Aber sie könnten genausogut versuchen, die Hauptinsel zu erreichen, über Land nach Havanna zu gehen und ein spanisches Schiff zu finden. Oder ein argentinisches. Aber gefangen geben sie sich nicht, wegen des Massakers nicht. Also werden sie wahrscheinlich das äußerste versuchen.»
    «Hoffentlich.»
    «Wenn wir ihnen eine Chance dazu geben.»
    Aber es geschah nichts in der Nacht. Die Sterne rückten nur vor, der Wind wehte stetig, und der Strom schmatzte hinter dem Schiff. Das Wasser phosphoreszierte stark von den Algen her, die der Wind, die See und die starken Strömungen vom Grund des Watts losgerissen hatten und die in Streifen und Flecken von kaltem weißem, unheimlichem Licht mit der Tide hereintrieben und hinaustrieben und wieder herein.
    Vor Tagwerden ließ der Wind etwas nach, und als es hell wurde, legte sich Thomas Hudson auf das Deck und schlief ein. Er lag auf dem Bauch, das Gesicht in einer Ecke des Schanzkleids. Antonio deckte ihn und seine Waffe mit einem Stück Persenning zu. Thomas Hudson schlief und merkte es nicht.
    Antonio übernahm die Wache. Als die Flut hoch genug aufgelaufen war, daß sie freikamen, weckte er Thomas Hudson. Sie

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