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Inseln im Wind

Inseln im Wind

Titel: Inseln im Wind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elena Santiago
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Arbeit von Sklaven reich zu werden, aber andererseits den Sklavenhändlern das Recht absprechen, daran zu verdienen, dass sie Euch die Sklaven verkaufen?«
    » Euer Vorwurf ist berechtigt.« William war nicht der Mann, der die Augen vor Tatsachen verschloss, schon gar nicht vor solchen, die von so eklatanter Eindeutigkeit waren. » Doch es ist ganz entschieden nicht dasselbe, ob man Gewinne zu erzielen versucht und dabei die Sklaven wie Menschen behandelt oder ob man sich bereichert und sie dabei schlimmer peinigt als jedes Tier. Die Schwarzen werden gepeitscht, geschunden, gebrandmarkt und eingesperrt wie Vieh! Ja, sie werden sogar ohne jegliches Verfahren einfach am nächsten Baum aufgeknüpft oder auf schlimmere Weise zu Tode gebracht, wenn es ihren Besitzern beliebt. Und niemand geht dagegen an, weil es kein Gesetz darüber gibt.«
    » Soweit ich informiert bin, geht eine durchaus vorherrschende Meinung davon aus, dass Schwarze gar keine richtigen Menschen sind, sondern vielmehr ihrem Wesen nach Tieren näher stehen. Allein das Äußere lässt vermuten, dass dieser Ansicht beizupflichten ist.«
    William seufzte innerlich. Wenn dies die neue Republik England sein sollte, dann war es schlecht um sie bestellt.
    Er fand es an der Zeit, sein vorbereitetes Gesuch aus der Rocktasche zu ziehen, und drückte dem Beamten die gesiegelte Schriftrolle in die Hand. Dieser nahm sie zögernd und betrachtete sie, als könnte sie ihn beißen.
    » Was ist das?«
    » Wenn Ihr erlaubt – ich habe hier alles schriftlich niedergelegt. In einem ersten Teil habe ich die Lage aus Sicht der Plantagenbesitzer auf Barbados dargestellt, im zweiten einen Thesenentwurf verfasst, wie das Problem angemessen behandelt werden kann. Unseren gemeinsamen Interessen wäre sehr gedient, wenn Ihr das weiterleitet.«
    » Mylord, entsprechen diese Eure Thesen auch der Meinung der übrigen Pflanzer auf Barbados?«, fragte der Beamte.
    » Selbstverständlich«, log William. » Ich bin Ratsvorsitzender im House of Burgesses.«
    Das wiederum war die reine Wahrheit, auch wenn er in dieser Eigenschaft so gut wie nie etwas zu entscheiden hatte, da bisher auf Barbados jeder Pflanzer mehr oder weniger nach Gutdünken seine Geschäfte führte. Hinzu kam, dass das Unterhaus als neue Regierungsmacht den Rat nie als offizielles Gremium anerkannt hatte. Soweit es die englischen Machthaber betraf, war Barbados nur eine Kolonie von vielen. Doch als Zuckerproduzent lag die Insel mit Abstand weit vor allen anderen, und wenn er nicht jetzt das Bewusstsein auf gewisse Probleme lenkte, würde er vielleicht nie mehr die Gelegenheit dazu erhalten.
    » Sir, was wir dort unbedingt brauchen und wollen, sind verbindliche Gesetze. Gesetze, in denen geregelt ist, wie die Sklaven zu transportieren und zu behandeln sind und unter welchen Prämissen sie ihre Freiheit zurückerlangen können.« Er legte die Betonung auf die wichtigen Worte, um die Dringlichkeit hervorzuheben.
    Der Beamte nickte, aber zu seinem Leidwesen vermochte William nicht zu ergründen, ob er genügenden Eindruck hinterlassen hatte. Er hatte sein Bestes versucht, aber reichte das aus? Bereits während er den Raum verließ, erwachten seine Zweifel, denn der Beamte hatte die Urkunde nachlässig zur Seite gelegt und sich in andere Schriftstücke vertieft, noch bevor William die Tür hinter sich schließen konnte.
    Und selbst wenn seine Eingabe weitergeleitet würde – vermutlich war die Annahme, dass die Regierungsverantwortlichen daraufhin die Rechte von Sklaven gesetzlich regelten, ohnehin zu naiv. Wer Geschäfte machte, wollte auch Geld verdienen. Mehr Sklaven brachten mehr Geld. Folglich würden weiterhin so viele wie möglich in ein einziges Schiff gequetscht werden – Frachtraum war teuer. Verluste wurden einkalkuliert, denn es konnte ja jederzeit unbegrenzt Nachschub beschafft werden. Dafür sorgten schon die Portugiesen, die im Zusammenwirken mit korrupten Stammeshäuptlingen endlose Ströme von Menschen aus dem Landesinneren an die Sklavenküste verschleppten, wo die Holländer sie nur in ihre Schiffe zu treiben brauchten. Aus welchem Grund sollten die englischen Händler es anders machen, wenn sie erst merkten, wie einträglich es war? Warum sollten sie sich selbst mit Gesetzen die Hände binden? Die großen Handelskompanien verfügten über enorme Privilegien und grenzenlose Macht, sie führten die Politik am Gängelband – letztlich regierte nur eine Kraft, und das war die des Geldes.
    Draußen im Freien

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