Inseln im Wind
gefürchtet, doch zu ihrer Freude war er schon wenige Tage später ganz der Alte gewesen. » Willst du noch ausreiten?«
Sie nickte.
» Unbedingt, bevor ich wochenlang darauf verzichten muss.«
Er fuhr ihr durchs Haar, und dann gab er seinen Gefühlen nach und umarmte sie sanft.
» Du wirst mir furchtbar fehlen, Kind.«
Sie spürte einen Kloß in der Kehle. Nein, sie würde jetzt nicht weinen, denn sie wusste, damit würde sie ihm das Herz brechen. Als einer seiner Gewährsmänner aus London gekommen war, mit jener Depesche von Harold Dunmore, hatte er nur zögernd den Entschluss gefasst, den Pflanzer anzuhören. Es war Elizabeth gewesen, die ihn dazu ermuntert hatte, die Sache voranzutreiben – jedenfalls, nachdem sie Robert das erste Mal gesehen und festgestellt hatte, dass er zumindest äußerlich alles verkörperte, was eine junge Frau sich von einem Mann nur erträumen konnte. Sie wusste, dass es schlecht um Raleigh Manor stand. Geld war genug da, die Ländereien warfen gute Einkünfte ab, doch der Viscount hatte Feinde im Parlament, weil er bis zum Ende vehement die Sache des Königs vertreten hatte und nicht rechtzeitig zu den Republikanern übergelaufen war. Ihm war zugetragen worden, dass bereits über die Möglichkeit einer Verhaftung beraten worden war. Seine Tochter an einen standhaften Puritaner wie Harold Dunmore zu verheiraten schien der einzige vernünftige Weg zu sein.
Alle Beteiligten profitierten davon – der Viscount, weil er nicht länger fürchten musste, als Verräter angeklagt zu werden, die Dunmores, weil sie dank der großzügig bemessenen Mitgift der Braut weitere Landkäufe auf Barbados tätigen konnten, und zuletzt Elizabeth, die ordentlich unter die Haube kam.
Ihr Vater musterte sie forschend.
» Bist du sicher, dass wir das Richtige tun? Nur ein Wort von dir, und ich mache alles rückgängig!«
» Natürlich bin ich sicher. Ich kann es kaum erwarten, die Karibik kennenzulernen. Denk doch, dort gibt es keinen Winter! Ich werde täglich ausreiten können, jahrein, jahraus.«
» Und … Robert? Glaubst du, dass er gut zu dir sein wird?« Ein wenig besorgt sah er sie an.
So offen hatte er sie bislang noch nicht danach gefragt, doch auch hinsichtlich ihres zukünftigen Gemahls fiel es Elizabeth nicht weiter schwer, seine Sorgen zu zerstreuen. » Robert ist ein warmherziger und freundlicher Mensch. Sein Vater mag ein bisschen … nun ja, streng sein, aber ich werde ja nicht ihn heiraten, sondern Robert. Ich habe ihn wirklich gern! Wir werden sicherlich ein wunderbares Leben auf Barbados führen!« Sie lächelte ihren Vater strahlend an. Offenbar gelang es ihr, den Eindruck glücklicher Vorfreude hervorzurufen, denn der Viscount erwiderte ihr Lächeln mit sichtlicher Erleichterung.
» Nun geh schon reiten«, sagte er liebevoll. » Sonst frierst du mir noch fest!« Er pfiff seine Hunde herbei und schlenderte zum Haus. Elizabeth blickte ihm nach, das Herz übervoll von Liebe und Kummer. Dann wandte sie sich ab, um zu den Ställen zu gehen.
Der Pferdeknecht hatte Pearl bereits gesattelt. Elizabeth hielt der Schimmelstute einen verschrumpelten Apfel hin, der im nächsten Moment auch schon verschwunden war. Dann führte sie Pearl vor den Stall, wo sie mit geübtem Schwung aufsaß. Sie wusste, dass hinter ihrem Rücken über sie geredet wurde, weil sie im Herrensattel ritt. Auch ihr Vater hatte anfangs versucht, es ihr auszureden, doch er war schon immer über alle Maßen nachgiebig gewesen, wenn sie ihren eigenen Willen durchsetzen wollte.
Sie hatte sich gesorgt, dass ihre neue Familie – insbesondere ihr künftiger Schwiegervater – diese Vorliebe vielleicht verurteilen und ihr vielleicht sogar verbieten würde, doch zu ihrem Erstaunen hatte Harold Dunmore nur achselzuckend gemeint, dass es ihn nicht schere, wie eine Frau zu Pferde sitze. Maßgeblich sei allein, dass sie dabei eine gute Figur mache und nicht hinunterfalle. Und er werde sich persönlich dafür verbürgen, dass es der Stute während der Überfahrt an nichts mangelte, schließlich habe er bereits ein halbes Dutzend Pferde heil und gesund über den Ozean gebracht.
Elizabeth ließ Pearl über den Hof trotten, dann an der Wiese mit den Apfelbäumen vorbei und schließlich auf den Trampelpfad, der in Richtung Meer führte. Als sie freies Gelände erreicht hatte, ließ sie die Stute traben. Nach einer Weile reichte ihr das nicht mehr, sie drückte Pearl die Fersen in die Flanken und nahm die Zügel auf.
» Ho!«,
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