Inseln im Wind
sagte William.
Harold hob seinen Hut auf und klopfte ihn ab.
» Glaub mir, ich finde sie. Ich kenne dich, seit du ein kleiner Junge warst, William Noringham, aber ich lasse mich gewiss nicht von dir für dumm verkaufen. Sollte sich auch nur einer von meinen Sklaven auf Summer Hill versteckt halten, geht es dir an den Kragen.«
» Verschwindet.« William hob die Waffe. » Oder ich lasse Euch von meinem Aufseher mit Eurer eigenen Peitsche davonjagen.«
» Das wollen wir doch einmal sehen.« Dunmore wollte sich nach seiner Peitsche bücken, doch William sprang dazwischen und stieß sie mit dem Fuß weg. Er drückte Dunmore den Lauf der Pistole gegen die Brust und drängte ihn zurück.
» Runter von meinem Land!«, sagte er schneidend.
Der Aufseher hob die Peitsche auf und ließ sie knallen.
Endlich fügte Dunmore sich Williams Befehl. Ruckartig wandte er sich ab, ergriff seine auf dem Boden abgestellte Laterne und stapfte mit Riesenschritten davon.
In den darauf folgenden Tagen blieb es auf den Plantagen im Landesinneren weiterhin ruhig, die Gefahr eines um sich greifenden Sklavenaufstandes schien vorerst gebannt. Die flüchtigen Schwarzen waren jedoch nach wie vor wie vom Erdboden verschluckt, es gab keine Spur von ihnen. Einmal wollten ein paar Schuldknechte sie nördlich von Speightstown gesehen haben, ein anderes Mal meinte ein Pflanzer aus St. Andrew, sie trieben sich dort oben in den Wäldern herum, doch die ausgeschickten Männer suchten vergeblich.
Allmählich kehrte der Alltag wieder ein, die Leute nahmen ihr gewohntes Leben wieder auf. Für viele lag der Grund dafür, dass der Aufstand lokal begrenzt geblieben war, auf der Hand – es musste damit zusammenhängen, dass Harold Dunmore seine Sklaven zu grausam behandelt hatte. Schließlich war auf seiner Plantage der Aufruhr ausgebrochen und schon am selben Tag wieder zum Erliegen gekommen. Es war allgemein bekannt, dass er schnell mit der Peitsche bei der Hand war, er hatte sogar schon eigenhändig welche von seinen Sklaven totgeschlagen, und sein Aufseher war, wenn irgend möglich, sogar als noch schlimmerer Menschenschinder verschrien gewesen, der Freude am Quälen anderer empfunden hatte.
Ähnliches wusste man von den zwei anderen Plantagenbesitzern, deren Familien und Felder den entflohenen Schwarzen zum Opfer gefallen waren. Auch diese beiden hatten ihre Sklaven furchtbar misshandelt, oft sogar einfach nur zum Spaß. So gesehen schien es nach Überzeugung etlicher Pflanzer gleichsam vom Schicksal gewollt, dass es gerade jene getroffen hatte. Manche von ihnen gönnten es Harold Dunmore regelrecht, hatte er sich doch immer allzu viel auf seinen Erfolg eingebildet. Elizabeth bemerkte während der Sonntagsmesse mehrfach, dass ihrem Schwiegervater schadenfrohe Blicke folgten.
Seit dem Brand war er nahezu pausenlos damit beschäftigt, Baumaterial, Werkzeuge und neue Diener und Sklaven zu erwerben, um Rainbow Falls wieder aufzubauen. Er schuftete wie ein Besessener und klagte niemals. Auch seine Wutanfälle waren seltener geworden. Er hatte nur ein einziges Mal im Haus herumgebrüllt, weil eine Dienerin Martha schon am frühen Morgen Rum ans Bett gebracht hatte. Bevor er die Magd züchtigen konnte, war Elizabeth eingeschritten.
» Sie kann nichts dafür. Sie hat nur einem Befehl gehorcht. Martha wird sich bestimmt bald wieder erholen, aber zurzeit braucht sie noch ein Mittel zur Beruhigung. Ich werde etwas Laudanum besorgen, das wird ihr besser helfen als der Rum. Und ich werde mich persönlich darum kümmern, dass es nicht zu viel wird, in Ordnung?«
Harold besann sich kurz, dann nickte er widerstrebend. Anschließend gab er den allgemeinen Befehl an das Gesinde aus, dass die Befehle seiner Frau, sofern sie im Zusammenhang mit Alkohol standen, nicht mehr zu befolgen seien. Damit war der Fall für ihn erledigt.
Abends saß er in gebeugter Haltung im Lehnstuhl, kaum in der Lage, die Augen aufzuhalten. Sein Gesicht war gezeichnet von Erschöpfung und Leid. Nur selten entspannte sich seine Miene, etwa, wenn Jonathan ihn anlachte oder Grandpa nannte, ein neues Wort, das er erst vor ein paar Tagen auszusprechen gelernt hatte. Elizabeth hatte es dem Kleinen beigebracht, aber das hatte sie Harold verschwiegen. Es sollte eine Überraschung für ihn werden, und das war ihr gelungen. Zum ersten Mal seit Wochen nahm sie eine Andeutung von Freude in seinen Augen wahr.
Zufriedenheit zeigte sich auch in seinen Zügen, als er die Nachricht hörte, dass die
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