Inseln im Wind
unzufriedenen und besorgten Mienen ließ sich unschwer erkennen, dass er sie nicht überzeugt hatte. Einige von ihnen hatten gemurrt, es sei nur billig und gerecht, ihnen wenigstens über Nacht die Macheten zu lassen, für den Fall, dass die Schwarzen doch noch kämen, und William hatte, was er sonst selten tat, ein Machtwort sprechen und sie mit barschen Worten in ihre Hütten schicken müssen. Er würde sich schon um ihre Sicherheit kümmern.
Und er hielt Wort. Es ging bereits auf Mitternacht zu. Im Licht der Laterne, die er mit sich führte, umtanzten ihn lästige Mücken, doch er setzte seinen Patrouillengang unbeirrt fort. Aus der Dunkelheit war das auf- und abschwellende Singen der Zikaden zu hören. Die Luft war frisch. Von dem durchdringenden Gestank des Qualms, der bis zum frühen Abend südöstlich von Holetown die Umgebung verpestet hatte, war nichts mehr zu spüren. Was der Regen nicht davon vertrieben hatte, war vom Wind fortgeweht worden.
William verharrte mitten im Schritt. Von den Sklavenhütten kamen ungewohnte Geräusche, er hörte erregte Stimmen, dann einen erstickten Aufschrei. Mit gewaltigen Sätzen rannte er los und erreichte die Hütten binnen weniger Augenblicke. Ein Mann von bulliger Statur hatte den alten Abass aus seiner Behausung gezerrt und an einen Baum gefesselt. Es war Harold Dunmore. Geschmeidig entrollte er die Peitsche, während im Hintergrund die anderen Schwarzen mit verschreckt aufgerissenen Augen zusahen. Abass wurde jedoch nur einmal von dem Riemen getroffen, dann krachte Williams Büchse. Der Lehm hinter Dunmores Füßen zerbarst in einem Schauer von Matsch, von dem einzelne Brocken so hoch flogen, dass sie Dunmore den Hut vom Kopf fegten.
» Lasst die Peitsche fallen, Dunmore«, sagte William kalt.
Dunmore drehte sich zu ihm um. Die Augen in dem rußbeschmierten Gesicht rollten, er fletschte wie von Sinnen die Zähne, und William erkannte schaudernd, dass der Mann nicht richtig bei sich war. Der Tod seines Sohnes und der Verlust seiner Sklaven sowie der letzten Ernte mussten ihn um den Verstand gebracht haben. Doch dann glättete sich das von Raserei verzerrte Gesicht und wurde gänzlich ausdruckslos. Nur die Augen flackerten noch auf eine so unnatürliche Weise, dass William davor zurückschrak. Dunmore ließ die Peitsche fallen und griff nach seiner Pistole, die er im Futteral am Leibgurt stecken hatte.
» Du hast dein Pulver verschossen«, sagte er höhnisch. » Dein Pech, dass du nicht richtig gezielt hast.«
William spannte den Hahn ein zweites Mal und richtete die Pistole auf sein Gegenüber. Seine Hände waren völlig ruhig. » Ich schieße nie daneben. Seid versichert, dass beim nächsten Schuss Blut fließt. Diese Waffe hier ist das Beste, was das Handwerk der Büchsenmacher derzeit zu bieten hat, denn sie hat zwei Läufe, von denen einer so gut schießt wie der andere.«
Abermals verzerrte sich Dunmores Gesicht. Er stand mit hängenden Armen da. Seine Fäuste öffneten und schlossen sich krampfhaft. In seiner Anspannung glich er einem gehetzten Raubtier, das sich nicht entscheiden konnte, ob es angreifen oder flüchten sollte. Schließlich tat er weder das eine noch das andere, sondern verlegte sich aufs Reden.
» Ich habe guten Grund zu der Annahme, dass sich hier auf deinem Land meine Schwarzen verstecken.« Er deutete mit dem Kinn auf den gefesselten Alten. » Hättest du mich nicht so rüde unterbrochen, hätte ich es schon aus ihm rausgeprügelt. Dir kann nicht entgangen sein, dass er einer von diesen Kerlen ist, die mit ihren merkwürdigen Götterbeschwörungen und Orakelbefragungen die anderen Sklaven aufwiegeln. Er steckt hinter dem ganzen Aufruhr, folglich muss er auch wissen, wo die Bande sich verkrochen hat!«
» Wo immer Eure Sklaven sind – auf meinem Grund und Boden gewiss nicht«, gab William zurück.
» Um das festzustellen, müsste man erst mal diesen Alten hier richtig ausfragen!«
» Ich habe Euch schon einmal davor gewarnt, Euch an meinem Eigentum zu vergreifen«, versetzte William. Mit einer Kopfbewegung gab er den wartenden Sklaven einen Wink. » Bindet Abass los und versorgt die Wunde.«
Nun erschien auch der Aufseher auf der Bildfläche. Das Hemd über dem fetten bleichen Wanst offen, die Hose nur notdürftig zugeschnürt, kam er angerannt und blickte entgeistert in die Runde, als er William mit der Pistole auf Dunmore zielen sah.
» Was ist los?«, stieß er schwer atmend hervor.
» Unser Gast will gerade wieder gehen«,
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