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Inseln im Wind

Inseln im Wind

Titel: Inseln im Wind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elena Santiago
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Wer murrte oder sich bei der Arbeit nicht ordentlich anstrengte, machte umgehend Bekanntschaft mit seiner neuen Peitsche, die, wie es hieß, schlimmere Wunden schlug als die alte. Harold schien keinen anderen Gedanken mehr zu kennen, als Rainbow Falls so schnell wie möglich wieder zu voller Blüte zu bringen. Schon im nächsten Jahr, so hatte er Elizabeth und Felicity bei der letzten gemeinsamen Mahlzeit – die schon Tage zurücklag – prophezeit, werde auf allen Feldern wieder mannshoch das Zuckerrohr stehen. Bis dahin, so hatte er hinzugefügt, werde auch seine neue Mühle in Betrieb sein. Einstweilen habe er eine Vereinbarung mit Sutton: Er werde so lange dessen Mühle benutzen. Wozu habe der Mensch Freunde in der Not? In seiner Stimme und seiner Miene hatte etwas Beschwörendes gelegen, was Felicity veranlasst hatte, nach dem Essen zu Elizabeth zu sagen: » Der Mann macht mir wirklich Angst.«
    Worauf Elizabeth nur ratlos die Achseln gezuckt hatte. Sie hatte nicht vergessen, wie brutal er sein konnte. Wenn sie ihn auch für seine Tatkraft und seine unerschöpfliche Selbstdisziplin bewundern musste, so blieb sie doch vor ihm auf der Hut.
    Nachdem er fast das ganze Gesinde zum Arbeiten auf die Plantage beordert hatte, schien Dunmore Hall nahezu verwaist. Martha kam so gut wie nie aus ihrer Kammer, Felicity machte sich den ganzen Tag über für ihre Verabredungen mit Niklas Vandemeer schön, und Elizabeth kümmerte sich um Jonathan und ihre übrigen Aufgaben. Harold hatte ihr mehr als genug Geld zum Wirtschaften zur Verfügung gestellt, sie musste kein einziges Mal ihr Nadelgeld antasten. Bald stellte sie fest, dass ihr dieses Leben behagte. Manchmal bestellte sie Miranda ins Haus, damit Jonathan immer unter Aufsicht stand, wenn sie selbst zu tun hatte.
    Bei all der Beschaulichkeit ihres Tagesablaufs blieb jedoch auch ihr nicht verborgen, dass die Stimmung auf Barbados immer angespannter wurde. Eines Morgens, als sie mit Paddy auf dem Markt war, um frischen Fisch zu kaufen, rannten die Leute aufgescheucht durcheinander, jemand schrie mitten in der Menge aus vollem Hals: » Die Engländer kommen! Die Navy ist da!«, worauf ein Tumult ausbrach. Es stellte sich jedoch heraus, dass es nur ein Verband von vier holländischen Handelsschiffen war, die der englischen Flotte mit einem Tag Vorsprung entkommen waren. Die Besatzungen brachten die Kunde, dass die Parlamentsflotte tatsächlich schon Dutzende holländischer Frachter zwischen den Antillen aufgebracht habe – die Zeiten des friedlichen Handelns seien damit vorbei. In aller Eile löschten sie ihre Ladung, nahmen Frischwasser und Essenvorräte auf, beluden die Frachträume mit allem Zucker, den sie kriegen konnten, und segelten noch am selben Tag wieder davon.
    Als Elizabeth vom Markt zurückkehrte, teilte Felicity ihr weinend mit, Niklas Vandemeer werde um die Mittagsstunde ebenfalls in See stechen. Ihr bleibe somit kaum noch Zeit, sich von ihm zu verabschieden. Spätestens am nächsten Morgen werde die englische Flotte da sein, dann seien die Menschen auf Barbados ihres Lebens nicht mehr sicher. Elizabeth bekam zum ersten Mal Angst vor einem möglichen Krieg.
    35
    D uncan fand die Pforte in der Außenmauer von Dunmore Hall unverschlossen. Anscheinend stimmte, was er gehört hatte – es gab kaum noch Gesinde im Haus, weil Harold Dunmore alle Diener nach Rainbow Falls mitgenommen hatte, nachdem ihm die Sklaven und ein großer Teil der Schuldknechte weggelaufen waren. Vor dem Stall döste nur ein magerer ältlicher Knecht im Schatten eines Gespanns. Er fuhr erschrocken hoch, als Duncan ihn mit der Schuhspitze anstieß.
    » Wo ist deine Herrin?«, wollte Duncan wissen.
    » Oh, äh, welche?«, stammelte der Knecht.
    » Welche sind denn da?«
    Der Knecht schluckte, ihm kam offenbar etwas in den Sinn, das vordringlicher war als die Frage des Besuchers.
    » Bitte, sagt dem Herrn nicht, dass ich geschlafen habe. Es war so warm, und ich war so …« Er suchte nach dem richtigen Wort.
    » Müde?«, schlug Duncan vor.
    Der Mann nickte heftig.
    » Deine Herrin«, erinnerte Duncan ihn.
    » Wenn Ihr Mistress Martha meint – sie …« Der Knecht hüstelte. » Sie ruht und darf nicht gestört werden. Und Miss Felicity ist … ähm … aus. Zu Besuch bei Miss Mary Winston.« Sein Gesicht hellte sich auf. » Da wäre noch Mylady.«
    » Warum nennst du sie so?«, erkundigte Duncan sich. Durch die Heirat mit Robert war Elizabeth, obschon Tochter eines Viscounts, in die Niederungen

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