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Inseln im Wind

Inseln im Wind

Titel: Inseln im Wind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elena Santiago
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immer um diese Zeit. Mittlerweile war es dunkel geworden. Der Torhüter verbeugte sich ehrerbietig, als er ihr die Pforte öffnete. Auf ihr Befragen erklärte er, der Herr sei noch nicht zurück. Von den Dienstmädchen erfuhr sie, dass auch Felicity noch außer Haus weilte. Ein Botenjunge habe eine Nachricht gebracht, sie bleibe über Nacht bei ihrer Freundin Mary Winston. Da Elizabeth wusste, dass Felicity die Tochter des Gouverneurs nicht besonders gut leiden konnte, war klar, dass sie in Wahrheit die Nacht bei Niklas auf der Eindhoven verbrachte. Vermutlich würde sie ihren guten Ruf damit auf alle Zeiten verspielen, doch Elizabeth war nicht in der Verfassung, sich darüber Gedanken, geschweige denn Sorgen zu machen. Ihre eigenen Probleme nahmen sie vollständig gefangen. Zu ihrer Erleichterung schlief Jonathan ruhig in seinem Bettchen. Felicity hatte eine der Dienerinnen beauftragt, bei ihm in der Kammer zu bleiben.
    Martha befand sich offenbar in trunkenem Tiefschlaf. Das Hausmädchen erklärte nach einigem Herumdrucksen, die Herrin habe am frühen Abend nach mehr von der Medizin verlangt und sich dann hingelegt. Die Art, wie die Dienerin dabei auf ihre Füße blickte, ließ keinen Zweifel daran, welche Medizin gemeint war. Elizabeth schickte das Mädchen weg und kleidete sich aus. Sie legte sich ins Bett, lauschte den regelmäßigen Atemzügen ihres Kindes und versuchte, über die Ereignisse der vergangenen Tage nachzudenken. Doch ihre Erschöpfung war zu groß, die Anstrengungen forderten ihren Tribut. Sie fand nicht einmal mehr genug Kraft, die Kerze zu löschen, bevor ihr die Augen zufielen. In dieser Nacht war ihr Schlaf tief und traumlos.
    32
    A uf Rainbow Falls herrschte Verwüstung. Die Felder waren bis auf vereinzelte Bestände abgebrannt, die Hütten nur noch Aschehaufen, das Blockhaus ein Berg aus geschwärzten, immer noch schwelenden Balken. Die Zuckermühle und die Siederei waren so gründlich zerstört worden, dass nur noch die rußigen Umrisse auf dem Boden davon kündeten, wo sie gestanden hatten.
    Harold Dunmore irrte zwischen den rauchenden Trümmern umher; in seinen Gedanken herrschte Düsternis. Er fragte sich, ob er je im Leben solche Verzweiflung gespürt hatte wie heute, und er kam zu dem Schluss, dass er noch nichts vergleichbar Schlimmes erlebt hatte. Abgesehen natürlich von jenem Tag, als Harriet zu ihm gekommen war und ihm die Wahrheit eröffnet hatte. Ihre Wahrheit, nicht seine. Der damalige Tag war schlimmer gewesen als der heutige, denn er hatte es nicht mehr ändern können. Die Schäden, die der Sklavenaufstand verursacht hatte, ließen sich dagegen ausgleichen und reparieren. Er brauchte dazu nur gesunden Menschenverstand, harte Arbeit und Geld. All das konnte er aufbieten. Seine Sklaven würde er wieder einfangen, und die, die er zur Strafe totpeitschen musste, konnte er durch andere ersetzen, sobald das nächste Sklavenschiff eintraf. Und eine neue Zuckermühle hatte er sich ohnehin anschaffen wollen.
    Was die Felder betraf, so hatte er zu seiner Überraschung festgestellt, dass der Brand das Rohr nicht vernichtet, sondern es nur von den strohigen Pflanzenteilen befreit hatte. Die Stängel selbst ragten überall nackt aus der Asche, offenbar hatte das Feuer ihnen nicht viel anhaben können. Probeweise hatte er eines abgehackt und es untersucht – es schien ihm durchaus verwertbar. Er würde ein paar davon pressen und den Saft kochen lassen. Falls die Melasse in Ordnung war, würde er alles so schnell wie möglich abernten lassen, um auszuschließen, dass das blattlose Rohr auf dem Feld womöglich zu faulen begann.
    Auch sonst war seine Lage nicht völlig hoffnungslos. Er besaß immer noch Dunmore Hall, und die Seinen waren am Leben. Andere Plantagenbesitzer hatten nicht so viel Glück gehabt. Zwei Familien waren ausgelöscht worden, ihre Häuser niedergebrannt. Unbedeutende Pflanzer, arm wie Kirchenmäuse, ihre Anbauflächen kaum groß genug, um mit dem Ertrag sich selbst und die Sklaven durchzubringen. Dafür wies ihr Land den Vorteil auf, dass es an Rainbow Falls grenzte. Sehr bald schon würde es ihm gehören. Als Harold beim Abwägen seiner Lage bis zu diesem Punkt vorgedrungen war, beschloss er, dass er sich nicht unterkriegen lassen würde. Von nichts und niemandem. Zugleich spürte er, wie sich rasender Zorn in ihm ausbreitete.
    Stundenlang war er mit den Suchmannschaften durch die Wälder gestreift. Sie hatten sich mit Hunden auf die Fährte der schwarzen Marodeure

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