Inseln im Wind
gesetzt, doch die hatte sich schließlich in den Tiefen des Dschungels verloren. Ein heftiger Regenguss hatte nicht nur das Feuer, sondern auch alle anderen Spuren ausgelöscht. In den übrigen Parrishes blieb es unterdessen ruhig, weitere Aufstände gab es nicht. Die Ausreißer würden sich nicht ewig verstecken können. Man würde weiter nach ihnen suchen, und bald würde man sie finden und aufknüpfen.
Die meisten Teilnehmer der Suchmannschaften waren längst nach Bridgetown zurückgekehrt. Einige Männer hatten sich auf die weiter entfernten Plantagen verteilt, um neue Übergriffe vereiteln zu können. Harold hatte nach Beendigung der Suchaktion die Brandstätten von Rainbow Falls nach brauchbaren Überbleibseln abgesucht, sein Vorhaben aber bald aufgeben müssen. Es gab nichts mehr zu bergen. Er hätte heimgehen können, doch er war noch nicht fertig. Auch andere mussten zur Rechenschaft gezogen werden. Er wusste genau, wo sich das wahre Nest des Aufruhrs befand. Der Plan, den Aufstand auf Rainbow Falls anzuzetteln, war nicht Akins Hirn entsprungen, sondern stammte von dem alten Sklaven, der bei den Noringhams auf Summer Hill sein Gnadenbrot fraß. Harold hatte vergessen, wie er hieß, doch er wusste, wie er aussah. Einmal, als er mit Akin und dem Aufseher Zucker zum Hafen befördert hatte, war er ihm in Bridgetown am Kai begegnet. Der Alte hatte kurz mit Akin geredet, in dieser seltsamen, kehligen Sprache, bis der Aufseher Akin zurückgepfiffen hatte. Die beiden Schwarzen hatten seltsame Blicke gewechselt. Harold hatte es mit spürbarem Unbehagen beobachtet, doch er war darüber hinweggegangen. Was rückblickend eindeutig ein Fehler gewesen war, wie er jetzt begriff. Dort, auf Summer Hill, liefen die Fäden der Revolte zusammen. Harold wusste es, als hätte Akin es ihm selbst erzählt. Manche Dinge waren einem von allein klar, auch ohne dass es besonderer Beweise bedurft hätte.
Es war schon dunkel, aber er hatte eine Laterne. Abgesehen davon hätte er den Weg zur Plantage der Noringhams auch blind gefunden.
33
W illiam patrouillierte auf dem Gelände, die Faustbüchse schussbereit und den Degen am Waffengurt. Es kam ihm absurd vor, bewaffnet durch sein eigenes Land zu streifen. Bisher hatte er sich auf Summer Hill immer sicher gefühlt. Dies war sein Zuhause, er war hier aufgewachsen. Er erinnerte sich noch sehr gut an das alte Blockhaus mit den Hängebetten, die bissigen roten Ameisen, vor denen man sich hüten musste, die geisterhaft im Wind wehenden Mückennetze für die Nacht und an die niedrige, rauchige Küchenhütte, in der die irische Köchin immer ein wenig Naschwerk für ihn und Anne bereitgehalten hatte. Der erdige Geruch der Felder war ihm so vertraut wie die dunklen, schweißfeuchten Gestalten, die ihm früher wie Riesen erschienen waren, urtümliche Wesen von immenser Kraft und Ausdauer, scheinbar unverwundbar und immer gegenwärtig. Er hatte in ihrer Sichtweite gespielt, während sie das Rohr abschlugen, und wenn sie abends vor ihren Hütten trommelten, hatte er in den Büschen selbstvergessen dazu getanzt. Seine Mutter – Harriet war nie etwas anderes als seine Mutter für ihn gewesen; an die erste Lady Noringham hatte er kaum noch Erinnerungen – hatte ihn einmal ermahnt, sich wachsamer zu verhalten, denn man habe schon von Schwarzen gehört, die … An dieser Stelle hatte sie gezögert, und Williams Vater hatte für sie weitergesprochen, obwohl er nicht das sagte, was sie eigentlich gemeint hatte, sondern das Gegenteil. » Unsere Neger sind gute Diener, Harriet. Sie ehren und achten uns als Herren und würden für uns durchs Feuer gehen!«
An diese Worte seines Vaters musste William zum wiederholten Mal denken, während er durch die Felder wanderte und Ausschau hielt. Doch es war alles ruhig. Die Sklaven hatten sich in ihre Hütten zurückgezogen, keiner war weggelaufen, niemand hatte sich aufsässig gezeigt. Nur die Schuldknechte hatten sich länger als sonst draußen aufgehalten und Debatten vom Zaun gebrochen, aber auch sie hatten sich mittlerweile zur Ruhe begeben, nachdem William es ihnen befohlen hatte.
Einer, der das Wort für die Schuldknechte führte, hatte alles über den Sklavenaufstand wissen wollen und gefragt, was an den Gerüchten dran sei, dass die Schwarzen nicht nur die Besitzer der Plantagen und deren Familien, sondern auch die weißen Arbeiter massakrierten. William hatte versucht, sie zu beruhigen, und ihnen beteuert, dass ihnen keine Gefahr drohe, doch an ihren
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