Inseln im Wind
des Bürgertums hinabgestiegen, aber das schien dem Gesinde nicht bewusst zu sein.
» Weil sie eine Lady ist«, sagte der Knecht erstaunt, als sei das die einleuchtendste aller Erklärungen.
Aus dem Küchenhaus lugte eine verhutzelte Alte. Duncan erkannte sie wieder: Es war Rose, die irische Dienerin, die Felicity des Öfteren zu ihren Treffen mit Niklas Vandemeer begleitet hatte. Bis auf die letzten Male, da war es auch ohne Anstandsdame gegangen, wie Duncan wusste.
» Ich denke, ich statte Mylady einen Besuch ab«, sagte Duncan. » Du kannst mich zu ihr führen.«
» Oh … Aber … Ich weiß nicht …« Der Knecht rieb sich eingeschüchtert die Handflächen an der Hosennaht ab und musterte unter den gesenkten Lidern den Besucher, der zwar höchst vornehm herausgeputzt war, mit federgeschmücktem Hut und goldschimmernder Seidenweste, der aber auch eine gefährlich aussehende Pistole sowie einen imposanten Degen am Gürtel trug.
» Schon gut, Paddy«, kam Elizabeths Stimme von oben. » Das ist Kapitän Haynes. Sicher bringt er mir Nachricht aus England, vom Verwalter meines verstorbenen Vaters.«
» So ist es«, sagte Duncan fromm. Er schirmte mit der flachen Hand die Augen gegen die Sonne ab. Elizabeth stand auf der Loggia im Obergeschoss und blickte zu ihm herunter. Auf dem Arm hatte sie einen kleinen Jungen, der beide Arme um ihren Hals geschlungen und sein Köpfchen an ihre Schulter gelegt hatte. Sie trug ein nachlässig geschnürtes, tief ausgeschnittenes Mieder mit Dreiviertelärmeln und einen knöchellangen Rock. Durch den feinen Musselin konnte man die Umrisse ihrer langen schlanken Beine sehen. Ihr lockiges, von der Sonne hell gesträhntes Haar hing offen herab.
» Führe Master Haynes in den Patio und bitte Rose, uns Limonade zu bringen.« Mit diesen Worten drehte sie sich um und verschwand im Inneren des Hauses.
Paddy wies Duncan den Weg durch die große Eingangshalle in den von Blütenduft erfüllten Innenhof. Ein plätschernder Springbrunnen dominierte das von einem Säulengang umgebene Geviert. Duncan erkannte den Wasserspeier wieder, eine teure Arbeit von einem Londoner Steinmetz, die Harold Dunmore sich eine ordentliche Stange Geld hatte kosten lassen. Der Mann gönnte sich selbst so gut wie nichts, er lebte unter primitiven Bedingungen auf seiner Plantage und arbeitete bis zum Umfallen, aber das, was die Leute zu sehen kriegten, musste vom Feinsten sein. Das Haus, das Gespann, der Brunnen, der großzügig mit Frangipani bepflanzte Innenhof. Die schöne adlige Schwiegertochter. Duncan setzte sich auf den Brunnenrand und hielt die Hand in den kühlenden Wasserstrahl, doch dann sah er Elizabeth aus dem Haus treten und sprang sofort auf. Er verbeugte sich vor ihr.
» Mylady.«
Ihr Gesichtsausdruck war nicht zu deuten.
» Master Haynes.«
Sie hatte den Jungen immer noch auf dem Arm. Der Kleine wandte sich halb um und spähte neugierig zu ihm herüber. Er hatte den Daumen im Mund stecken und die freie Hand im Haar seiner Mutter vergraben. Der Kontrast zwischen seinen dunklen Locken und dem Honighaar seiner Mutter war mehr als augenfällig.
» Ist das dein Sohn?«, fragte Duncan.
» Sicher«, sagte sie.
» Wie heißt er?«
» Jonathan.«
» Wie alt ist er?« Plötzlich fühlte Duncan sein Herz hämmern.
Elizabeth erwiderte unverwandt seinen Blick.
» Er wird am ersten November zwei.«
Duncan schluckte, sein Mund fühlte sich mit einem Mal taub an. Er starrte das Kind an.
» Könnte er … Ist er …?«
Sie nickte stumm, blickte dann aber besorgt über die Schulter.
» Bitte sag jetzt nichts.«
Rose erschien mit einem Tablett, auf dem ein Krug und zwei Becher standen. Sie stellte es auf einem Tisch im Säulengang ab und knickste.
» Darf ich Euch sonst noch etwas bringen, Mylady?«
» Danke, du kannst gehen, Rose. Für den Rest des Tages hast du frei. Dasselbe gilt für Paddy. Er soll aber unbedingt das Tor verriegeln.«
Die Alte nickte und zog sich zurück. Elizabeth ging zu dem Tisch und setzte dort den Kleinen ab, um die beiden Becher vollschenken zu können. Der Junge umklammerte ihre Knie und blickte zaghaft zu dem großen Fremden auf. Elizabeth löste seine Ärmchen vorsichtig von ihren Beinen und ging neben ihm in die Hocke.
» Hier, mein Schatz, trink.« Sie hielt ihm einen der Becher hin, den er sofort mit seinen Patschhändchen umfasste und an die Lippen setzte. Elizabeth half ihm beim Trinken. Er hatte offensichtlich großen Durst, die kleine Brust hob und senkte sich
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